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Gewollte Fehler im Kulturpalast

Die wertvollen Eingangstüren aus Bronze waren Jahrzehnte falsch angeordnet. Die „Fehler“ könnten jetzt berichtigt werden.

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© Jörg-R. Oesen

Lars Kühl

Von der Ersterwähnung Dresdens bis zum Sieg des Sozialismus war es ein langer Weg, einer mit Umwegen. Damit sind nicht die historischen Ereignisse gemeint, sondern die Strecken zwischen den fünf Bronzetüren am Kulturpalast. Wer etwas über die Geschichte der Stadt erfahren wollte, musste von links nach ganz rechts, zurück zur zweiten Tür von links, dann zur vorletzten rechts und zum Schluss zu der in der Mitte gehen. Hier stimmte etwas nicht.

Und doch war die Reihenfolge gewollt, nicht vom Künstler der fünf großen Eingangstüren, Gerd Jaeger, sondern von den DDR-Oberen. Die Errungenschaften des Sozialismus mussten in der Mitte stehen, geschichtliche Chronologie wurde ignoriert. Dabei hatte Jaeger den Auftrag, Dresden vom Fischerdorf um 1206 bis zur sozialistischen Großstadt am Ende der 1960er zu zeigen. Jede Tür bekam zehn Reliefs, deren Motive das Auf und Ab der Dresdner Geschichte darstellen: „Von der urkundlichen Ersterwähnung bis zum Dreißigjährigen Krieg“, „Das Barockzeitalter bis zum Handwerkeraufstand 1794“, „Von den Befreiungskriegen bis zur Uraufführung des Rosenkavaliers“, „Vom Kapp-Putsch bis zur Zerstörung 1945“ und „Die Nachkriegszeit und die Verheißungen der Zukunft“.

Mit Beginn der Modernisierung des Kulturpalastes verschwanden auch die Bronzetüren. Fast 45 Jahre hatten ihre Spuren hinterlassen. Reichlich Patina hatte sich angesetzt. Die Schutzschicht aus Wachs war fast verschwunden. Andreas Kunze von der Firma Fuchs & Girke Bau und Denkmalpflege übernahm die Restaurierung. Meist mit Wasser, bei hartnäckigen Verkrustungen auch mit einem Skalpell. Zum Schluss gab es neues Wachs obenauf und eine kräftige Aufbürstung der Oberfläche, damit die Reliefs wieder deutlich zur Geltung kommen.

Nun steht aber die Frage, in welcher Reihenfolge die Türen wieder eingebaut werden. „Ich hatte vor ein paar Jahren mal insistiert, ob man die richtige macht“, sagt Hobbyhistoriker Christoph Pötzsch dazu. „Diesen gewollten Fehler wieder zu begehen, wäre eine echte Schildbürgerei.“

Die SZ-Journalistin Bettina Klemm hat für ihr Buch über den Kulturpalast mit Denkmalpflegern und dem Bauherrn, der Kommunalen Immobilien Dresden GmbH, gesprochen. Die Diskussion war lang. „Wir haben keine schlüssige abschließende Begründung gefunden“, sagt Ulrike Hübner-Grötzsch vom Landesamt für Denkmalpflege. Eine Entscheidung gab es trotzdem: Die Türen werden so wie einst eingebaut – also in der „falschen“ Reihenfolge.

Das Buch „Der Dresdner Kulturpalast. Eine Zeitreise von 1969 bis heute“ ist ab sofort in allen SZ-Treffpunkten für 14,99 Euro erhältlich. Eine Gesprächsrunde mit der Autorin Bettina Klemm findet am 3. November um 19 Uhr im Haus der Presse statt. Der Eintritt kostet fünf Euro.