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Gewitter in der Halle

Dresdner Hochschulen bieten mehr als nur Hörsäle und Seminarräume. Eine neue Serie der SZ zeigt andere Lernorte. In diesem blitzt es gewaltig.

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© Norbert Neumann

Von Annechristin Bonß

Für ihre Doktorarbeit muss Maria Hering schwindelfrei sein. Angst vor Gewitter und grellen Blitzen darf sie auch nicht haben. Dort, wo sie forscht, blitzt und kracht es gewaltig. Eine neun Meter hohe Blitzspannungsanlage erzeugt elektrische Spannung von 2,4 Millionen Volt. An einer herkömmlichen Steckdose liegen 220 Volt an. Hoch über dem Boden wechselt die junge Frau die Widerstände der Anlage aus.

Die 27-Jährige arbeitet in der Hochspannungshalle der TU Dresden. Dort wird mit elektrischer Spannung geforscht. Diese Spannung am Arbeitsplatz ist gefährlich. Ein gelber Metallzaun umgibt die Anlage – und wirkt wie der bekannte Faraday'sche Käfig, der Autos umgibt. Die Kommandozentrale, Schaltwarte genannt, sorgt für zusätzliche Sicherheit. Nur von dort steuert Maria Hering ihre Untersuchungen.

Sie ist eine von 18 Doktoranden an der Professur für Hochspannungs- und Hochstromtechnik der TU Dresden. Sie beschäftigen sich mit Fragen der Energieversorgung in der Zukunft. Denn die soll mehr und mehr auf alternativer, grüner, regenerativer Energie aufgebaut sein. Doch genau das birgt Probleme. Alle Komponenten des Transports vom Kraftwerk bis in die heimische Steckdose müssen neu getestet, aufgebaut oder überholt werden. „Das Netz ist noch nicht ausgelegt für den wachsenden Anteil an regenerativer Energie“, sagt Steffen Großmann, Professor für Hochspannungstechnik. So kann in Küstenregionen viel mehr Windenergie erzeugt werden, als tatsächlich benötigt wird. Um diese aber in weit entfernte Regionen zu transportieren und dort zu nutzen, müssen Wissenschaftler wie Maria Hering viel forschen.

Denn um extrem große Entfernungen zu überwinden, muss das Netz der derzeit üblichen Wechselspannung um Leitungen ergänzt werden, die Energie mit Gleichspannung transportieren. Besonders platzsparend können die dazu notwendigen Umspannwerke dabei mit einem Gas isoliert werden. „Das geht bisher nur bei Wechselspannung“, sagt Maria Hering. Ihre Doktorarbeit beschäftigt sich mit diesem neuartigen Isoliersystem. Schafft die Doktorandin einen Durchbruch, könnte das helfen, auf engstem Raum neue Komponenten des Stromnetzes zu errichten und diese über weite Strecken mit Energie zu beliefern. Das ist zum Beispiel bei großen Windparks im Meer notwendig.

Tausende Bauteile im Netz warten auf eine Überprüfung: Transistoren, Isolatoren, Kabelverbindungen, Wandler und Schaltanlagen. Auch künftig soll Strom zuverlässig fließen, bei Wind und Wetter und unterschiedlichen Spannungen. „Einen längeren Stromausfall kann sich niemand leisten“, sagt Steffen Großmann. Die Industrie ist extrem interessiert an den Ergebnissen der Forschung. Mit einer Million Euro Drittmitteln pro Jahr wird die Arbeit der Professur unterstützt. Die findet in Europas ältester Hochspannungshalle statt. 1928 wurde die gebaut. Und zwar so weitsichtig, dass wir noch heute hier arbeiten können“, sagt der Professor. In der 18 Meter hohen Halle gibt es heute auch eine Gleich-, eine Wechselspannungs- sowie eine Beregnungsanlage. Wenn die läuft, muss niemand Angst haben, nass zu werden. Das Dach der Schaltwarte schützt auch davor.