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Gewalt in der Kita ließ sich nicht beweisen

Eine Erzieherin der Kita Weißkeißel wird beschuldigt, Kinder verletzt zu haben. Doch die Vorwürfe sind haltlos.

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Von Jost Schmidtchen

Hat Erzieherin Melinda G.* einige Kinder im Weißkeißeler Kindergarten „Feuerwehr Felicitas“ verletzt oder nicht? Dieser Frage ist das Amtsgericht Weißwasser jetzt auf den Grund gegangen. Der 35-jährigen Erzieherin aus Weißwasser werden in drei Anklageschriften vorsätzliche und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Passiert sein sollen die Vorfälle zwischen den Sommern 2012 und 2013, die genauen Zeitpunkte konnten nicht ermittelt werden. Im ersten Fall soll Melinda G. dem kleinen Michael* einen großen Tisch vor seinen Stuhl geschoben haben. Der Junge fiel daraufhin mit dem Stuhl um und erlitt Schwellungen. Im zweiten Fall sei die kleine Nadja* derart am Unterarm angepackt worden, dass sich ihr Arm schmerzhaft verdrehte. Im Fall 3 sollte Jens* aufräumen. Und weil er das nicht tat, soll Melinda G. dem Jungen eine Spielzeugkiste, die anderthalb Kilo wog, auf die Finger geworfen haben.

Erzieherin Melinda G. wies am Montag alle Anklagevorwürfe von sich. Sie habe immer pflichtbewusst die Kinder betreut, seitens der Eltern gab es nie Beschwerden. Immerhin hatte sie eine Gruppe von 18 Kindern im Alter von vier und fünf Jahren zu betreuen. Die Kinder bewusst zu verletzen, wäre mit ihrer Arbeitsaufgabe unvereinbar gewesen. „Was den Michael betrifft“, sagte die Angeklagte, „der ist ein lebhaftes Kind und kippelt gerne mit dem Stuhl. Umgekippt ist er in der Kita aber niemals.“ An den Fall Nadja konnte sich Melinda G. nicht erinnern. Ebenso an den „Holzkistenwurf“ gegen Jens. Bei diesem Fall hatte die Mutti bei der Anzeige sogar einen Tattag benannt. An dem war Jens laut Anwesenheitsliste aber gar nicht im Kindergarten. Im Zuge der Verhandlung unter Vorsitz von Jugendrichterin Sybille Adamsky erwiesen sich die Vorwürfe gegen die Erzieherin schließlich als haltlos. Zuvor versuchten die Anzeigeerstatterinnen jedoch über ihre Kinder die Körperverletzungen zu beweisen. Doch das Sprichwort „Kindermund tut Wahrheit kund‘“ machte sich dabei bemerkbar. Denn die Vier- bis Sechsjährigen berichteten vor Gericht in extra Raum unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus ihrem kindlichen Empfinden heraus. Die Staatsanwältin machte deutlich, dass Kinder unter acht Jahren an zwei oder drei Jahre zurückliegende Erlebnisse weder zeitliche noch inhaltliche Erinnerungen haben. Folglich sind die im Prozess gegen Melinda G. vorgebrachten Beschuldigungen kaum mehr zeitlich nachweisbar.

Die Frage, die bleibt, ist, was die beiden Muttis aus Weißkeißel dazu bewogen hat, den Prozess gegen die Erzieherin in Gang zu bringen. Offenbar hatte eine Jungerzieherin aus dem Kita-Team ihre Finger im Spiel. Zudem wurde beim Befragen der Zeugen klar, dass diese Anzeigen erstatteten, obwohl sie mit den angeklagten Vorwürfen gar nichts oder nur wenig zu tun hatten. Die Mutti von Michael sprach über eine Stunde von Verhaltensstörungen aller Art, für die sie zum Teil den Mitarbeitern im Kindergarten die Schuld gab. Beim Traktorentreffen in Klein Priebus habe ihr die Mutti von Jens erzählt, wie Michael mit dem Tisch umgefallen sei. Die Mutti von Jens sagte als Zeugin aber, dass sie vom Stuhlumfallen weder etwas weiß noch in Klein Priebus darüber gesprochen wurde.

Die Mutti von Nadja schließlich lüftete das Mysterium um die Vorwürfe. Angestiftet von der Jungerzieherin sammelten sich Muttis, so sagte sie, „um sich darüber auszutauschen, was in der Kita so alles passiert“. Dazu organisierte die Jungerzieherin im Weißkeißeler Kindergarten eine sogenannte Tupperparty, zu der wohl nur wohlgesonnene Eltern eingeladen waren. Daraufhin suchten all diese Muttis einen Anwalt auf, dem sie berichteten, was passiert sein soll. Der wurde offensichtlich stutzig und verfolgte das Geschehen nicht weiter. Was folgte, waren die Anzeigen der Muttis von Michael und Nadja. In den Vorwürfen haben sich die beiden völlig verrannt und festgefahren. Sie können nun froh sein, wenn es gegen sie nicht zu Gegenanzeigen wegen falscher Verdächtigung kommt.

Alles in allem: Michael ging gerne in den Weißkeißeler Kindergarten, Nadja hatte sich auf dem Spielplatz daneben benommen und die angeblichen Verletzungen bei Jens, von der Mutti per Handy fotografiert, stellten keinerlei Beweis für eine Körperverletzung dar, weil es eben keinen genauen Tattag gab. Jugendrichterin Sybille Adamsky folgte in ihrem Urteil den übereinstimmenden Anträgen der Staatsanwältin und des Verteidigers. Nur ein Freispruch kam infrage.* Namen von der Redaktion geändert