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Getrübtes Treffen der Stasi-Opfer

Streit zwischen Veranstalter und Sachsens Gedenkstättenstiftung: Das Bautzen-Forum muss erstmals ohne die Gedenkstätte stattfinden.

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© Archivfoto: Wolfgang Wittchen

Von Oliver Reinhard

Bautzen. Was bedeutete „Jung sein in der DDR“? Vor allem für jene, die mit den staatlichen SED-Jugendorganisationen nichts am Hut haben wollten? Diese Frage steht im Zentrum des Bautzen-Forums, das die Friedrich Ebert Stiftung (FES) am 11. und 12. Mai zusammen mit dem Bautzen-Komitee, einer Organisation ehemaliger politischer Häftlinge, zum 28. Mal in der Spreestadt veranstaltet. Gemeinsam rekapitulieren Wissenschaftler, Zeitzeugen und das Publikum, was das Leben junger Menschen bis 1989 zwischen den Polen „Anpassung, Mitmachen, Widerstand“ geprägt hat. Traditionell fand eine zentrale Veranstaltung des Forums am historischen Ort selbst statt: in der Gedenkstätte Bautzen, dem einstigen „Stasi-Knast“. In diesem Jahr sollte es dort ein Konzert geben mit Liedermacher Stephan Krawczyk, seinerzeit einer der führenden Figuren der oppositionellen DDR-Künstler, 1988 verhaftet und außer Landes gezwungen.

Doch das Bautzen-Forum muss am Donnerstag und Freitag dieser Woche erstmals nach 27 Jahren ohne Beteiligung der Gedenkstätte auskommen. Grund ist ein Streit zwischen dem Sachsenbüro der Friedrich Ebert Stiftung (FES) und dem Geschäftsführer der Stiftung Sächsische Gedenkstätten mit Sitz in Dresden, Siegfried Reiprich.

„Bruch des Vertrauensverhältnisses“

„Seit 1990, also von Anfang an, haben wir unsere Zusammenarbeit im Rahmen des Bautzen-Forums immer direkt mit der Gedenkstätte Bautzen abgestimmt“, sagt Matthias Eisel, Leiter des FES-Sachsenbüros. Aber schon seit ein paar Jahren wolle Stiftungsgeschäftsführer Reiprich, dass Eisel die Kooperation mit der Gedenkstätte nur noch über ihn kläre. „Ich bin bislang dennoch den bewährten direkten Weg gegangen. Jetzt aber hat Herr Reiprich den Kollegen in der Gedenkstätte und mir offiziell untersagt, miteinander zu sprechen. Das ist ein ernster Bruch des Vertrauensverhältnisses. Da mache ich nicht mit.“

Beim Vorsitzenden des Bautzen-Komitees löste die Entwicklung „große Bestürzung“ aus. In einem Brief an Reiprich schreibt Alexander Latotzky, mit der „Aufkündigung der Zusammenarbeit von FES und Gedenkstätte sei ein Zustand erreicht“, der „die jahrelange und mühsame Arbeit vieler engagierter Mitarbeiter und Betroffener zunichte“ mache und „konterkariert“.

Sogar „entsetzt“ darüber sind Karl Wilhelm Fricke und Manfred Wilke vom Fördervereinsvorsitz der Gedenkstätte: „Aus fadenscheinigen Gründen verwehrt die Stiftung nicht nur jenen Menschen, die nach 1989 die Gedenkstätte auf den Weg gebracht haben, eine Veranstaltung im ehemaligen Stasi-Gefängnis.“ Sie verbiete der Gedenkstätte zudem „die Teilnahme am wichtigsten Treffen der Opfer“. Formal macht Siegfried Reiprich mit dem „Einspruch“ lediglich von seinem Hausrecht Gebrauch.

„Dergleichen ist unprofessionell“

Zwar ließen Sachsens Gedenkstättengesetz und die Entwürfe der Stiftungssatzung von 1994 und 1999 bei der Kompetenzverteilung zwischen Geschäftsführer und den einzelnen Gedenkstätten manches im Vagen und den einzelnen Gedenkstätten einen gewissen Spielraum für eigenständige Entscheidungen. Doch mit der 2014 verabschiedeten Stiftungssatzung wurde endgültig bekräftigt, dass der Geschäftsführer alleiniger Entscheider in „Gestaltung und Koordinierung“ der Stiftungsaufgaben „einschließlich ihrer Gedenkstätten“ ist.

Dennoch habe Matthias Eisel als Vertreter der Ebert-Stiftung „darauf bestanden, nur mit der Leiterin der Gedenkstätte Bautzen über Art und Umfang seiner Veranstaltungsplanung zu verhandeln“, so Siegfried Reiprich. Überdies habe Sachsens FES-Büroleiter sich geweigert, ihn über die Planung schriftlich in Kenntnis zu setzen, was gleichwohl zwingend nötig gewesen sei, „damit ich den Aufwand für die Stiftungsgedenkstätte angesichts anderer hoch-prioritärer Aufgaben abschätzen kann“. Jedoch habe Matthias Eisel Anfang Februar und damit mehrere Wochen vor dem ursprünglich vereinbarten Zeitpunkt die Gedenkstätte Bautzen aus dem Programm gestrichen und die Einladungen versandt. „Dergleichen ist nach meiner Auffassung unprofessionell“, sagt Siegfried Reiprich.

Zwar muss das Bautzen-Forum nun tatsächlich ohne die traditionelle Veranstaltung in der Gedenkstätte auskommen. Nicht aber ohne das Konzert mit Stefan Krawczyk: Es wurde kurzfristig ins Kulturzentrum Steinhaus verlegt.