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Gestohlenes Medaillon kehrt zurück

Noch fehlen einige Stücke der Beute aus dem größten Kunstraub der DDR. Doch es gibt Hoffnung, diese wiederzufinden.

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© Sven Ellger

Von Annechristin Bonß

Dresden. Es war der größte Kunstraub in der DDR. Dreiste Diebe hatten am 20. September 1977 die Kameras im oberen Stockwerk des Stadtmuseums manipuliert. Mit einer Büroklammer knackten sie das Schloss einer Vitrine und nahmen den Inhalt mit. Den wertvollen Sophienschatz – Schmuckstücke, die als Grabbeigaben in der gleichnamigen Kirche gefunden wurden – sowie die goldene Königskette der Privilegierten Bogenschützen-Gesellschaft mit 15 wertvollen Anhängern. Der Verlust der insgesamt 57 Stücke schmerzt die Mitarbeiter im Stadtmuseum noch heute.

Es gehörte einst mit 14anderen Anhängern zur Königskette der Bogenschützen.
Es gehörte einst mit 14anderen Anhängern zur Königskette der Bogenschützen. © Sven Ellger

Doch nun scheint einer der letzten Akte des Raubs über die Bühne gegangen zu sein. Der vorletzte der 15 vermissten Anhänger ist nach Dresden zurückgekehrt. „Wir sind sehr happy“, sagt Erika Eschebach, Direktorin im Stadtmuseum. Sie strahlt, als sie das aufklappbare Medaillon mit einem Abbild des jungen Herzogs Johann Georg in den Händen hält. Der ist kein Geringerer als der Vater von August dem Starken. Johann Georg wurde einst als Schützenkönig mit dem Anhänger belohnt. Viele dieser Preise wurden an die Kette der Schützen-Gesellschaft gehängt.

Der Zufall hat das Medaillon wieder nach Dresden gebracht. Im vergangenen Jahr wandte sich eine alte Dame aus Köln an ein Münchner Auktionshaus. Ihr verstorbener Mann hatte ihr das Medaillon einst geschenkt. Er hatte es ersteigert. Nun wollte seine Witwe es verkaufen. Die Münchner kontaktierten daraufhin das Grüne Gewölbe in Dresden. Hier hofften sie, einen guten Preis für das mit sächsischer Geschichte behaftete Stück zu erreichen. Dort bekam die Konservatorin Ulrike Weinhold die Fotos vom Medaillon auf den Schreibtisch. Sie recherchierte im Internet, um die wahre Herkunft des Schmuckstücks zu finden. Sehr schnell wurde sie fündig. Die Auktion wurde daraufhin gestoppt, die Behörden eingeschaltet. Schließlich konnte die Stadt Dresden das Medaillon für 10 000 Euro kaufen.

In wenigen Wochen soll es wieder an seinen Platz im vierten Geschoss des Museums zu sehen sein. Hier liegen auch 13 andere Anhänger der Kette sowie ein Großteil des Sophienschatzes. 1981 tauchte erstmals einer der Anhänger bei einer Auktion bei Christie’s in London wieder auf. 1988 konnte es dem Dresdner Museum übergeben werden. Geld musste die Stadt dafür nicht bezahlen. 1999 wurden 38 geraubte Stücke auf einer Auktion in Oslo angeboten. Sechs Jahre vergingen, bis das Stadtmuseum diese erwerben konnte. Zum Kaufpreis will sich Gisbert Porstmann, Direktor der Museen der Stadt, nicht äußern. In verschiedenen Berichten war damals von 220 000 Euro die Rede. Das jedoch sei zu wenig, sagt Erika Eschebach.

Zuletzt bekam das Stadtmuseum einen Anhänger 2006 zurück. Nun fehlen nur noch ein Anhänger der Kette sowie die goldene Kette selbst und 14 Stücke aus dem Sophienschatz. Darunter sind goldene Armbänder, Ohrringe und auch ein Ring mit zwei geschwungenen Veilchen.

„Wir haben immer die Hoffnung, dass man bei einem gefundenen Stück auch weitere der Sammlung findet“, sagt Gisbert Porstmann. Im aktuellen Fall wird aus diesem Wunsch nichts werden. Die alte Dame aus Köln kann sich an keine Details des damaligen Kaufs erinnern. Auch wird es immer schwieriger, einzelne Stück ausfindig zu machen. Nicht alle haben markante Wiedererkennungszeichen. Für eine intensive Suche und Recherche danach fehlt der Stadt das Personal und auch das Geld. Und so bleibt ungewiss, wann und ob der wirklich letzte Akt im größten Kunstraub der DDR geschrieben wird. Damals ermittelte auch die Stasi zum Vorfall. Bis zu 1,80 Meter lang ist die Reihe der Ermittlungsakten. Die letzte Spur mit einem Fingerabdruckvergleich führte vor wenigen Jahren in die Tschechische Republik. Allerdings war der damit gefundene Mann bereits gestorben.

Trotzdem hoffen die städtischen Museumsexperten. „Vielleicht haben wir gerade einen Lauf“, sagt Gisbert Porstmann. Erst Mitte Juni hatte er einen 37 Zentimeter hohen Schiffspokal präsentiert, der einst zum Dresdner Ratsschatz gehört hatte und nun nach Dresden zurückgekommen ist.