Merken

Gestohlene Harley ist wieder da

Aufatmen bei einem Kamenzer Biker: Er hat seine einmalige Beiwagenmaschine zurück. Der mutmaßliche Dieb ist polizeibekannt, hat viel auf dem Kerbholz. Trotzdem läuft er frei herum.

Teilen
Folgen
NEU!
© Matthias Schumann

Von Ina Förster

Was für eine Aufregung! „Das brauche ich jedenfalls nicht öfter“, meint Jörg Hehl. Und streicht fast liebevoll über das schwarze Blech seiner Harley. Am Wochenende wurde ihm das wertvolle Oldtimer-Gespann aus seiner abgeschlossenen Garage in Kamenz gestohlen. Nun ist es seit gestern Vormittag wieder da. Etwas lädiert, mit deutlichen Gewaltspuren an Zünd- und Lenkradschloss. Aber immerhin noch fahrbereit. Trotzdem blutet dem leidenschaftlichen Biker das Herz. Aber eines nach dem anderen.

Als die mutmaßlichen Täter die Harley-Davidson samt Ural-Beiwagen Freitag- oder Sonnabendnacht an der Bautzner Straße entwenden, weilt der 54-jährige Architekt mit seiner Frau gerade in Köln bei Schwiegermutter und Karneval. „Als wir zurückkamen und ich am Sonntag unser Auto abstellen wollte, klafften mir schon zwei offene Garagentüren entgegen“, erzählt er. Der Beginn einer Odyssee. Der 54-jährige Kamenzer Architekt hat seitdem einiges erlebt, worauf er liebend gern verzichtet hätte. Ein bisschen klingt die ganze Geschichte nach einer echten Räuberpistole. Jörg Hehl schüttelt immer wieder den Kopf und kann die Dreistigkeit und Dummheit der Einbrecher nicht nachvollziehen.

Leidenschaftlicher Biker

Der gebürtige Ulmer lebt seit 20 Jahren in der Lessingstadt, ist leidenschaftlicher Biker. Einer, der sich nicht nur auf den Sattel schwingt, sondern auch noch gern an den geliebten Maschinen herum bastelt. Wie in den letzten drei Jahren an besagtem einmaligen Gespann. „Es ist das einzige zugelassene sachsenweit. Dafür bin ich bis nach Bayern gefahren“, erzählt er stolz. Da ist nichts original daran, die Teile hat er mühselig auf Teilemärkten besorgt. Und sich so einen Traum verwirklicht. Dass die Diebe ihm gerade dieses Schätzchen unter dem Hintern wegklauen konnten, ärgert ihn umso mehr. Obwohl „Unter dem Hintern“ wohl nicht ganz zutrifft. Die Garage hat der Architekt etwa 200 Meter vom eigenen Haus auf dem Areal der ehemaligen „Goldnen Sonne“ angemietet. Darin stehen auch noch das Motorrad seiner Frau sowie eine Sportmaschine. Letztere fand man kurz nach Meldung des Einbruchs mit einer Plane getarnt auf dem Gelände. Wollte man sie später abholen? Der Rest blieb allerdings unberührt. „Die wollten nur an mein Gespann ran, haben die anderen Bikes extra dafür beiseite geräumt. Dafür haben die Diebe sogar einige Fenster abgedunkelt, damit sie wahrscheinlich in Ruhe arbeiten konnten. Von Anfang an habe ich gedacht: Entweder waren das Profis, Auftragstäter. Oder echte Dummköpfe“, so Jörg Hehl. Denn so ein seltenes Gespann lässt sich in der Szene nicht einfach verkaufen. Viel zu heiße Ware! Noch Sonntagnacht setzt dann die umfangreiche Polizeiermittlungsarbeit in Kamenz ein. „Ich muss die Soko Kfz aus Görlitz hier echt loben. Sie haben die ganze Zeit einen super Job gemacht, auch die Nacht über. Waren immer präsent“, sagt der 54-Jährige. Es werden alle Spuren gesichert. Einen Anfangsverdacht gibt es sicherlich gleich. Doch darüber will natürlich keiner der Ermittler aus taktischen Gründen sprechen. Das ist noch nachvollziehbar.

Niemand etwas gehört?

Aber: „In diesem Haus wohnen sieben Mietparteien. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass da keiner einen Mucks gehört hat. Das Gespann ist schwer und war nochmals mit einem Lenkradschloss gesichert“, so Hehl. Am Montagmittag gibt dann auch die Pressestelle der Polizeidirektion eine kurze Nachricht heraus – samt Foto vom gestohlenen Gespann. Dank dem Internet verbreitet sich selbiges schnell. Am späten Nachmittag meldet sich ein Kamenzer User auf Facebook, dass ihm das gesuchte Gespann gleich in der Nähe am Mühlweg aufgefallen sei. Er meldet es sofort der Polizei. Ist aber anscheinend nicht der erste Zeuge. Auf einem Privatgelände findet man die Harley-Davidson wirklich unter einer Plane. Nur 500 Meter vom Tatort entfernt. Jörg Hehl wird herbeigerufen und freut sich über den Fund. Der Rest ist Stochern im Nebel der Gerüchteküche. Doch die scheint auch in Kamenz einiges zu taugen.

Die mutmaßlichen Täter sollen bei der Familie, der das Areal gehört, geklingelt und gefragt haben, ob sie es hier für ein paar Tage abstellen dürfen, weil es defekt sei. Damit gibt es also Zeugen. Auch andere Verdachtsmomente engen den Kreis um den Täter ziemlich ein. Am Dienstagnachmittag zwitschern es schon mehrere Spatzen von den Dächern, wer denn da wohl infrage käme. Auf mehrmaliges Nachhaken bei der Polizeidirektion bestätigt man später doch noch, dass sich ein 32-jähriger Tatverdächtiger im Visier der Polizei befindet. Der Mann sei der Polizei hinlänglich wegen verschiedener Eigentumsdelikte bekannt. Kein Unbekannter also. Gleich mehrere Verfahren laufen gegen ihn. Gestern wurde er auf der Straße gesehen. Nicht nur Jörg Hehl schwillt da der Hals...