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Geschnitzte Freundschaft

Mit einer Skulptur ehrt Günter Schönfelder seinen Freund, den Botaniker Helmut Passig aus Großhennersdorf.

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© www.foto-sampedro.de

Von Birgit Hollstein

Großhennersdorf. Helmut Passig ist Mitte Dezember in seine geliebte Heimat zurückgekehrt – als Holzfigur. Im Oktober 2016 war der bekannte Großhennersdorfer Botaniker und Ortshistoriker verstorben. Nun hat ihm sein Freund Günter Schönfelder ein Denkmal gesetzt. Wie schon so oft in seinem Leben hat der Schnitzer aus dem Großhennersdorfer Ortsteil Schönbrunn zu Säge und Werkzeug gegriffen, um den verstorbenen Naturfreund zu porträtieren. Zwischen Birken, am Rande des Schönbrunner Waldes, steht die Figur jetzt.

Geschnitzt hat sie Günter Schönfelder. Er war mit Passig befreundet.
Geschnitzt hat sie Günter Schönfelder. Er war mit Passig befreundet. © Matthias Weber
Helmut Passig ist im Oktober 2016 verstorben. Als Botaniker und auch als Ortschronist war er in Großhennersdorf bekannt.
Helmut Passig ist im Oktober 2016 verstorben. Als Botaniker und auch als Ortschronist war er in Großhennersdorf bekannt. © Matthias Weber

Würdevoll und mit einem sanften Gesichtsausdruck hat Schönfelder seinen Freund Helmut Passig geschaffen. „Die Liebe zur Natur und ein Hauch Romantik hat uns verbunden“, sagt er über den einstigen Freund. Mit der einen Hand auf einen Stock gestützt steht er neben dem Waldweg. In der anderen hält er ein Buch. Denn, wenn auch harte Arbeit sein Schicksal war, gelesen hat Helmut Passig immer gern. Das berichtet er in seinen Aufzeichnungen über sein Leben. Sein Nachbar Matthias Fischer hat ihm vor einigen Jahren geholfen, seine Erinnerungen in dem Buch „Meine Lebenserinnerungen“ zusammenzufassen. Darin erzählt er, dass eine höhere Schulbildung aus Geldmangel nicht infrage kam, obwohl es sein Lehrer gerngesehen hätte.

In vier Wochen hat Schönfelder seine Figur aus einer Roteiche geschnitzt. Nun erscheint diese so, als ob sie den Vorübergehenden etwas aus ihrem Leben oder der Geschichte des Dorfes erzählen möchte. Von einer Kindheit aus den frühen 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, in dem durch Großhennersdorf kaum Autos oder Motorräder fuhren, das Kuchenbacken ein Freudentag war, Kinder bei schönem Wetter barfuß in die Schule gingen oder ein Vergnügen dabei fanden, nach einem Gewitterregen durch Pfützen zu waten. Doch dieses Leben endete abrupt: Als er gerade 18 geworden war, so erzählt Passig in seinem Buch, erhielt er den Einberufungsbefehl zur Deutschen Wehrmacht.

Erst viele Jahre später sind er und Schönfelder einander begegnet. „In den 80er Jahren muss es gewesen sein“, erinnert sich der Schnitzer. „Damals hatte ich Holz für ihn gefahren. Ich erfuhr von seiner Liebe zur Natur und seinen Kenntnissen über die Pflanzen. Das hat mir imponiert.“ Und hier liegt ein weiterer Grund, warum er die Erinnerung an den Großhennersdorfer wachhalten möchte. Passig ist nicht nur als Landwirt, sondern ebenfalls als Botaniker bekannt geworden.

Die Zeit, sich Orchideen und der heimatlichen Flora intensiv zu widmen, fand er nach dem Zusammenschluss der Bauern zu den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG), als er als Landwirt die Sonntage endlich frei hatte und nicht mehr „lebte, um zu arbeiten“, sondern „arbeitete, um zu leben“, ist in dem Buch zu lesen. Er liebte die Streifzüge durch die Heimat für seine botanische Forschung, fand Freude, als er gleich einen ganzen Hang voll der leuchtend blauen Blümchen, der Leberblümchen, entdeckt hatte, nach denen er lange gesucht hatte. Er wurde Naturschutzbeauftragter seines Ortes und war Mitglied der Naturforschenden Gesellschaft der Oberlausitz, in deren Zeitschriften er botanische Dokumentationen veröffentlichte, zum Beispiel in dem Heft „Flora von Herrnhut und Umgebung“. Weitere Veröffentlichungen von ihm sind in der fortlaufenden Buchreihe „Abhandlungen und Berichte des Naturkundemuseums Görlitz“ zu finden, hier zum Beispiel unter „Farn- und Samenpflanzen der Oberlausitz“.

Die Holzstatue von Helmut Passig ist nur eine von viele Figuren, mit denen Günter Schönfelder seit fast 20 Jahren die Landschaft bereichert. Vor allem im Zittauer Gebirge begegnet man seinen Werken. Manche schnitzte er zweimal, da sie gestohlen wurden, andere, weil Wetter und Zeit ihre Spuren hinterlassen hatten. Auch Helmut Passig hat er vor mehreren Jahren schon einmal geschnitzt. Aus einem abgebrochenen Baum, einem Stumpf mit Wurzel habe er diese Figur in Schönbrunn geschaffen, erinnert sich Schönfelder. „Damit wollte ich ein Zeichen setzen für seine Verbundenheit mit der Heimat und der Natur.“

Diese erste Figur hat Passig, der in letzten Lebensjahren blind war und nicht mehr eigenständig aus dem Haus gehen konnte, auch noch selbst gesehen. Im Laufe der Zeit hatte die Plastik durch zu viel Feuchtigkeit aber gelitten. „Schau mal, hier hackt schon der Specht an mir herum“, soll er zudem zu seinem Erbauer gesagt haben. Um weiteren Schaden von der Schnitzarbeit abzuwenden, ist die erste Passig-Figur dann abgesägt, und zu Helmut Passig in den Garten umgezogen. Für die Wintermonate logierte sie sogar in einer Garage, berichtet Passigs Freund und Nachbar Matthias Fischer. (mit SZ/abl)