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Geschichten aus einer gewalttätigen Zeit

Andreas Lobe hat Gerichts- und Kriminalfälle aus 500 Jahren zusammengetragen.

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© Stadtmuseum

Von Jens Hoyer

Döbeln. Öffentliche Hinrichtungen waren immer ein Spektakel mit reichlich Gruseleffekt für die Schaulustigen. Die letzte gab es in Döbeln im Jahr 1853. Auf einer Muldenwiese bei Greußnig wurde Johann Christian Wohllebe mit dem Fallbeil vom Leben zum Tode befördert. Der 59-Jährige hatte im Vorjahr die Ehefrau des Steinbrechers Hartmann in Neugreußnig mit einer Radehacke erschlagen, als sie ihn bei einem Diebstahl erwischte. Dann legte er Feuer. Die Beute: fünf Taler, Rauchfleisch und Würste. Die Ordnungsmacht hatte ihn schnell verdächtigt. Wohllebe gestand noch einen zweiten Mord an einer Frau in Neumannsdorf und bekam dafür die übliche Strafe.

Andreas Lobe, Chef des Mügelner Heimatvereins und des Stadtmuseums, hat solche und andere Fälle aus 500 Jahren zusammengetragen und im Band 11 der Reihe „Kleinen Mügelner Schriften- und Mitteilungsreihe“ veröffentlicht. Am Montag plauderte er im Döbelner Ratssaal über erschreckende Gerichts- und Kriminalfälle zwischen Mulde und Elbe. In Mügeln sitzt er da an der Quelle. Die Stadt sei noch bis 1952 Sitz eines Amtsgerichts gewesen, sagte Lobe.

In der Region um Mügeln hatte es immer wieder spektakuläre Kriminalfälle gegeben – der älteste in dem Band stammt aus dem Jahr 1442. Auch spätere Zeiten waren gewalttätig. 1571 hatten eine Frau in Mügeln ihren Mann im Streit ermordet, zerstückelt und vergraben. Ihr Sohn, der beteiligt war, gestand das Verbrechen. Man fand die Mutter in ihrer Zelle aufgehängt an einem Schürzenband, das vorher keiner bei ihre gesehen hatte. Weil der Teufel im Spiel gewesen sein musste, spukte die Frau noch lange in der Fronfeste. Und auch im Blumenladen, der jetzt an der Stelle steht, finde man ab und zu eine umgeworfene Vase, sagt Lobe.

Ein Fall aus Döbeln könnte auch in Hollywood verfilmt werden, meinte Andreas Lobe. 1771 war Johann Gottfried Clemen in seine Vaterstadt Döbeln auf Besuch zurückgekommen. Als Plantagenbesitzer in Suriname war er zu sagenhaftem Reichtum gelangt, was Begehrlichkeiten weckte. Der Schrebitzer Pfarrer war damals auf dem Weg nach Mügeln, als er am Lüttnitzer Grenzholz Stimmen hörten. 14 Männer einer Räuberbande, gut gekleidet, hatten sich dort niedergelassen. Sie unterhielten sich darüber, dass bei einem reichen Mann in Döbeln etwas zu holen sei, erzählte Lobe. Der Pfarrer ließ Clemen warnen. Die Bande sei später bei Berlin dingfest gemacht worden.

Mancher Fall regt auch zum Schmunzeln an. Ein falscher Arzt sorgte 1912 in Döbeln für Aufsehen. In einem Dorf fragte er eine Bauersfrau nach dem Weg und kam mit ihr ins Gespräch und empfahl ihr zur Hebung der Gesundheit eine „Streichkur“. In deren Verlauf diagnostizierte der falsche Arzt bei der Frau Krebs und empfahl eine Therapie, die vor allem aus dem Geschlechtsverkehr mit ihm bestand. Die Frau war offensichtlich zufrieden und bezahlte auch noch 1,50 Mark Behandlungsgebühr.

Band 11 der „Kleinen Mügelner Schriften- und Mitteilungsreihe“ ist im Döbelner Stadtmuseum für 6 Euro erhältlich.