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Geschichte in der Flasche

Förster Rüdiger Schwark hütet seit Jahren eine geheimnisvolle Flaschenpost. Doch öffnen wollte er sie bislang nicht.

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© Sebastian Schultz

Von Dörthe Gromes

Zeithain. Es ist schon eine ganze Weile her, dass Rüdiger Schwark in den Besitz einer geheimnisvollen Flasche kam. 1996 wurde sie bei Pflegemaßnahmen auf dem Zeithainer Waldfriedhof am Rande der Gohrischheide zufällig von einer Gruppe Bundeswehrreservisten aus Offenbach ausgegraben. Dabei wurde der Flaschenhals abgebrochen. Gut erkennbar steckt eine alte Zeitung in der Flasche. „Möglich, dass die Zeitung 100 Jahre alt ist“, erzählt der 59-Jährige. Schließlich sei sie am Standort des alten Hochkreuzes auf dem Friedhof gefunden worden. Dieser wurde um 1914 für Soldaten eingerichtet, die im Ersten Weltkrieg verwundet wurden und später ihren Verletzungen im nah gelegenen Lazarett des Truppenlagers Zeithain erlagen. „Heldenfriedhof“ nannte man diesen Ort, der auf zahlreichen Postkarten aus der damaligen Zeit auftaucht.

In Vergessenheit geraten

Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges wurden auf dem Friedhof sowohl Zivilisten als auch gefallene Soldaten beerdigt. Mit Kriegsende zog die Sowjetarmee in die Zeithainer Kasernen ein. Der Friedhof wurde zerstört, Angehörige durften nicht mehr zu den Gräbern. Allmählich geriet die Existenz des Friedhofs in der breiten Öffentlichkeit in Vergessenheit.

1991 dann übernahm der ursprünglich aus Jena stammende Rüdiger Schwark als Förster das Bundesforstrevier des ehemaligen Truppenübungsplatzes: „Ich war schon immer an Geschichte interessiert und da hat es mich besonders gereizt, dieses von seiner Historie her sehr spezielle Gebiet zu betreuen.“

Von dem verschwundenen Friedhof wusste der Förster damals allerdings noch nichts. Bei Waldarbeiten auf dem Gelände seien plötzlich eiserne Grabkreuze zum Vorschein gekommen. „Da bin ich stutzig geworden und habe nachgeforscht, was früher dort gewesen ist“, erinnert sich Rüdiger Schwark. Das Gelände wurde daraufhin aus der Bewirtschaftung rausgenommen. „Der Standort des früheren Hochkreuzes war noch anhand der Bodenplatten eindeutig zu erkennen“, sagt der Förster. Als die Reservisten dort ein neues, provisorisches Holzkreuz errichten wollten, stießen sie auf die bereits erwähnte Flasche und übergaben sie an Rüdiger Schwark. Der wickelte sie mitsamt der darinsteckenden Zeitung sorgfältig in eine Plastikfolie und klebte sie zu. Darauf kam ein handschriftlicher Zettel mit Ort und Zeit des Fundes. Sie wurde im Fundus der Arbeitsgemeinschaft Militärhistorik, in der sich der Zeithainer seit Jahren engagiert, archiviert.

Angst vor dem Papierzerfall

Aber warum untersuchte Rüdiger Schwark nicht zuvor den Inhalt der Flaschenpost? War er denn gar nicht neugierig? „Oh doch, neugierig war ich schon“, erwidert er. „Ich wollte jedoch vermeiden, dass die Zeitung beim Auseinanderrollen zerbröselt, deshalb sollte das am besten unter fachmännischer Aufsicht erfolgen.“

Erst kürzlich kamen die ehemaligen Reservisten aus Anlass des Zeithainer Lustlager wieder in die Gegend. Sie fragten Rüdiger Schwark nach der Botschaft aus der Flasche. Vielleicht wird ihr Geheimnis ja eines Tages doch noch enthüllt.