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Gerüstete Rentner

Selbstverteidigung zu trainieren, bringt Senioren Fitness für Kopf und Körper – auch ohne ernsten Kampf.

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© Sven Ellger

Von Nadja Laske

Dresden. Der Ausfallschritt gelingt geschmeidig. Christine König spannt die Beine an, breitet ihre Arme aus und steht stabil. Um sie herum suchen betagte Damen und Herren noch den sicheren Stand. Sie haben sich im Kreis aufgestellt und schauen ihre Kursleiterin erwartungsvoll an.

Selbstverteidigung für Senioren, von dem Angebot las Christine König vor einigen Wochen in der Zeitung. „Ich habe gedacht: Das kann ja nur gut sein“, sagt die 83-Jährige. Schließlich sei sie sehr viel in der Stadt unterwegs, meistens allein – abends in die Semperoper und wieder zurück nach Hause. Das Anrecht hat sie schon seit vielen Jahren. Oder sie geht ins Fitnessstudio, wo mit Rückenschule, Power-Walking, Zirkeltraining und Qigongkursen jeden Tag eine andere sportliche Herausforderung auf sie wartet. „Nächstes Jahr habe ich mein 20-Jähriges im Fitnessstudio.“ Das erzählt Christine König mit Stolz. Alt werden ist klasse, aber es kommt darauf an, wie man altert. Darüber sind sich alle klar, die mit ihr gemeinsam nun gerade die Erwärmung mit Dehnungs- und Gleichgewichtsübungen beendet haben. Fit und aktiv wollen sie bleiben – bloß keinen Lebensabend im Pflegebett!

Die acht Senioren stellen sich jeweils zu zweit auf. Christine Königs Gegenüber,
86 Jahre alt, greift ihr abrupt mit beiden Händen an den Hals. Bevor das Training begann, hatte Christine König noch gescherzt: „Wenn mich jemand überfallen sollte, muss ich ihm sagen: Moment mal bitte, ich muss erst kurz überlegen, was jetzt zu tun ist.“ Zumindest beim Üben weiß sie es sofort: Mit der linken und rechten Handkante deutet sie einen Schlag in die Seiten ihres Angreifers an, schlägt dann mit dem rechten Arm seine Hände fort und windet sich so aus der Umklammerung.

Den Ablauf haben die Senioren schon vor Längerem gelernt, jede Stunde beginnt mit Wiederholungen. Später werden die Teilnehmer Schläge parieren, ihren Gegnern Finger verdrehen und nach ihnen treten. Kursleiterin Elisabeth Jahn geht von Paar zu Paar, korrigiert, erklärt, lobt, spornt an. Seit ihrer Kindheit trainiert sie verschiedene Kampfsportarten und hat aus der Begeisterung dafür ihren Beruf gemacht. Von der ersten Taekwondo-Technik führte ihr Weg über den schwarzen Gürtel bis zur Trainer-C-Lizenz. Die 41-Jährige trainiert nicht nur Senioren, sondern auch jüngere Erwachsene und Kinder.

Zu beobachten, wie sich schon nach wenigen Trainingsstunden die Menschen verändern, das bringt sie fast ins Schwärmen: Körperhaltung, Beweglichkeit, Gleichgewichtssinn, Konzentrationsfähigkeit und Reaktionsvermögen, all das ist von diesem Sport zu haben. Besonders ältere Menschen sollten diese Fähigkeiten stärken, rät die Meisterin. Wenn die Senioren merken, dass sie beweglicher werden, mehr Halt haben, schneller reagieren, fühlen sie sich sicherer und wirken auf andere weniger angreifbar.

In gefährliche Situationen ist Christine König noch nicht geraten, sagt sie. „Eigentlich fühle ich mich auf den Straßen sicher, aber wenn ich so ganz allein im Großen Garten unterwegs bin, ist mir manchmal schon etwas mulmig.“ Sich nicht wehrlos zu fühlen, ist ein wehrhaftes Gefühl.

ASB-Seniorenzentrum, Wiesenstraße 17 in Striesen, Selbstverteidigung für Senioren, mittwochs, 13.15 Uhr bis 14.15 Uhr; Anmeldung unter 0351 2131339