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Gericht kippt Neumarkt-Projekt

Der Bebauungsplan ist unwirksam. Die Richter des sächsischen Oberverwaltungsgerichts in Bautzen werfen der Stadt Dresden grobe Fehler vor. Davon wissen bisher noch nicht einmal die Stadträte.

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© Visualisierung: arte4D/Andreas Hummel

Von Bettina Klemm

Das Gewandhaus-Quartier am Dresdner Neumarkt steht unter keinem guten Stern. Erst scheiterten die Pläne zum Bau eines modernen Gewandhauses als Museum für moderne Kunst, nun ist auch die dahinter liegende Bebauung fraglich.

Der 1. Senat des sächsischen Oberverwaltungsgerichts in Bautzen hat unter dem Aktenzeichen 1 C 28/13 den Bebauungsplan Neumarkt Quartier VI für unwirksam erklärt. Damit wird auch verständlich, warum die Stadt der Firma USD bisher keine Baugenehmigung für die betreffende Fläche ausgereicht hat.

Das Urteil: Richter rügen Mängel in der Arbeit der Stadt.

Der Senat unter Vorsitz von Richter Jürgen Meng hatte schon im Mai mündlich verhandelt. Das Urteil wurde am 30. September 2014 ausgestellt. Doch die Stadtverwaltung hat darüber bisher nicht einmal die Stadträte im Bauausschuss informiert.

Die Richter rügen inhaltliche Mängel in dem Bebauungsplan. So seien Änderungen nach der öffentlichen Auslegung erfolgt. Obwohl sie gravierend waren, stellte sie die Stadt nur als redaktionelle Änderungen vor. Die Kläger hatten keine ausreichende Möglichkeit, darauf zu reagieren.

Das Urteil der Richter ist klar, sie ließen auch keine Revision zu. Ob die Stadt noch bis zum 30. November Beschwerde gegen das Urteil einreicht, war am Freitag nicht zu erfahren. Viel Zeit bleibt dabei nicht. Auch von der Firma USD, die die Hauptfläche vor dem Johanneum bebauen will, war am Freitag keine Aussage zu bekommen.

Die Gründe: Die Stadt berechnet die Lärmbelastung am Kulturpalast falsch.

Ein Hauptproblem am Neumarkt ist die Lärmbelastung, die vom Kulturpalast ausgeht. Nachts müssen nach den Konzerten Technik und Kulissen abtransportiert werden. Das verursacht Lärm. Doch die Stadt soll nur ihre eigenen Interessen und nicht die anderer Grundstückseigentümer beachtet haben, so der Vorwurf der Kläger. Als Folge müssen die Bauherren der angrenzenden drei Grundstücke neben Schallschutz und Lüftungsanlagen auch Fenster einbauen, die nicht zu öffnen sind. Gegen diese sogenannte Festverglasung legte auch Investor Michael Kimmerle für sein Quartier Jüdenhof Beschwerde ein.

Offenbar soll der Kulturpalast zulasten der Eigentümer der umliegenden Grundstücke geschont werden, heißt es in der Klage. Die Stadt habe mögliche Maßnahmen am Kulturpalast zur Reduzierung des Lärms nicht ausreichend betrachtet, so der Vorwurf.

Die Kläger: Sie fühlen sich von der Stadt ausgetrickst.

Gegen die Stadt und den Bebauungsplan hat die Griebnitzsee Projektentwicklungsgesellschaft aus Berlin, der ein 4 200 Quadratmeter großes Grundstück an der Ecke Galeriestraße/Frauenstraße gehört, geklagt. Nach SZ-Informationen soll sie zum Unternehmen Kondor Wessels gehören, das etwa ein Jahrzehnt lang die Fläche am Neumarkt beplant hat. Es hat die archäologischen Grabungen vorfinanziert und den Wettbewerb für den Bau eines Gewandhauses finanziert. Vertreter für das niederländische Unternehmen Kondor Wessels ist Arturo Prisco, der bereits am Quartier Frauenkirche (QF) maßgeblich mitgewirkt hat. Die damalige Stadtspitze hatte Prisco wiederholt öffentlich zugesichert, dass er und Kondor Wessels das Quartier bebauen können. Doch Finanzbürgermeister Hartmut Vorjohann (CDU) schrieb die Fläche neu aus. In der Folge bekam das Dresdner Unternehmen USD den Zuschlag, weil es einen höheren Preis geboten hatte. Kondor Wessels fühlte sich hintergangen.

Die Folgen: Die weitere Bebauung des Neumarkts ist ungewiss.

Arturo Prisco hat am Neumarkt hohe Qualitätsansprüche. Lange Zeit standen die Flächen im QF ungenutzt, aber er weigerte sich, Filialisten einziehen zu lassen. Gern würde er das Gewandhaus-Quartier mit Kondor Wessels bebauen. Nun hat er große Sorgen. „Ich hoffe, dass die Stadt keine Baugenehmigung nach dem vereinfachten Verfahren nach Paragraf 34 Baugesetzbuch erteilt. Das wäre das Ende der hohen Ansprüche für den Neumarkt. Jeder Bauherr könnte dann quasi machen, was er will“, sagt Prisco.