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Gerangel um ein Filetstück

Der Besitzer würde es gerne teuer verkaufen. Doch die Nachbarn sind nicht so erfreut. Jetzt greift die Stadt ein.

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© Peter Redlich

Von Peter Redlich

Die beiden Grundstücke zwischen Fabrikstraße und Uferstraße (siehe Grafik) sind für Immobilienhaie so etwas wie das schlafende Dornröschen. Erweckt zum Leben, ließen sich auf dem letzten baureifen Elbareal zwischen Radebeul und Meißen Wohnungen mit fantastischem Flussblick errichten. Jens Beck, Immobilienmakler und Gutachter, arbeitet an Radebeuls Bodenrichtwertkarte. Er sagt: „Beräumt und erschlossen sind die reinen Wohnbauflächen hier zwischen 300 und 400 Euro je Quadratmeter einzuordnen.“

Liegt noch auf dem Gelände der Fabrikstraße 9 herum – das Firmenschild der letzten Chemiefabrik, die hier Wachs- und Schmiermittel hergestellt hat.
Liegt noch auf dem Gelände der Fabrikstraße 9 herum – das Firmenschild der letzten Chemiefabrik, die hier Wachs- und Schmiermittel hergestellt hat. © Peter Redlich

Fabrikstraße 7 und Fabrikstraße 9 heißen die beiden Flächen, die heute im Vorbeifahren eigentlich jeder links liegen lässt. Es sei denn, er will in eine der hier ansässigen Kfz-Werkstätten. Auf der Nummer sieben hat Siegfried Bach seine gut laufende Werkstatt eingerichtet. Das noch größere Nachbargrundstück gehört Oliver Albrecht. Der Radebeuler ist vor allem mit seinem Swingerclub „Ollywood“ in den vergangenen Jahren bekannt geworden. „Ollywood Radebeul – Verein für Geselligkeit und Körperertüchtigung e. V.“, wie das Etablissement zwar noch im Internet zu finden ist, läuft offenbar nicht mehr in der Sonnenleite 57 und ist geschlossen. Aber das große Pfund von Albrecht ist eher sein Grundstück zwischen Fabrikstraße und Uferstraße an der Elbe.

Nicht für ’n Appel und ’n Ei

Aus einer Insolvenzmasse heraus soll er es vor über zehn Jahren günstig erworben haben. Albrecht selbst hatte erst vor, hier seinen Club mit Pension einzurichten, heißt es. Die alte Fabrikvilla und angrenzende Gebäude sollten dafür ausgebaut werden. Wie unschwer zu erkennen ist, wurden die Arbeiten daran abgebrochen. Sogar die einst eingebauten neuen Fenster sind wieder herausgetrennt. In die unter Denkmalschutz stehende Villa regnet es rein. Das Dach ist beschädigt, auch weil ein Baum, der zuletzt gefällt wurde, darauf fiel.

Überhaupt hat das gesamte Areal eine gehörige Vorgeschichte. Die Greif-Chemie KG war hier ansässig, nach dem Zweiten Weltkrieg zwar enteignet und den Buna Chemiewerken zugeordnet, blieb es doch ein Chemiebetrieb. Nach der Wende siedelte sich hier die Firma Wako WK Wachs- und Korrosionsschutz GmbH an. An den Türen der Hallen steht noch „Tanklager“, „Kesselhaus“. Vor etwa anderthalb Jahrzehnten ging diese Firma in Insolvenz. Das Grundstück wurde offenbar günstig verkauft und Oliver Albrecht kam zum Zug.

Anfangs äußerte er selbst die Absicht, hier bauen zu wollen. Seit einiger Zeit möchte er allerdings das Grundstück veräußern. Von einem Vorkaufsrecht zugunsten eines Bauunternehmers wird unter den Mietern geredet. Dieser soll sogar Vorstellungen geäußert haben, die benachbarten Grundstücke von Familie Bach, Fabrikstraße 7, das von der Firma Hasse und die Kleingärten mit einbeziehen zu wollen.

Bei den Angesprochenen stößt das Ansinnen allerdings eher auf Ablehnung. Siegfried Bach: „Ich habe keinesfalls die Absicht, mein Grundstück zu verkaufen. Schon gar nicht für ’n Appel und ’n Ei, wie sich das mancher vorstellt.“ Und Jürgen Hasse: „Bei uns war mal jemand und hat große Pläne vorgestellt. Aber wir werden unser Gewerbe hier auf keinen Fall aufgeben. Ich hoffe, die Stadt unterstützt uns.“

Genau das hat sie jetzt vor. Heute Abend liegt den Stadträten eine Beschlussvorlage auf den Tischen, die heißt: Aufstellung eines Bebauungsplanes Nr. 92 mit der Bezeichnung „Fabrikstraße/Uferstraße“. In der Beschlussvorlage steht, dass der Plan das Ziel hat, eine urbane Wohnbebauung dieses Areals in Ableitung des Flächennutzungsplans unter besonderer Berücksichtigung des Hochwasserschutzes und des Lärmschutzes zu entwickeln. Voraussetzung dafür soll sein, dass die Gewebebetriebe an der Fabrikstraße in ihrer unternehmerischen Tätigkeit nicht eingeschränkt werden. Uwe Queißer, Referent für Standortentwicklung im Baudezernat der Stadt sagt, dass zwar Wohnungen gebraucht würden, hier aber unbedingt mit den Gewerbetreibenden geredet werden müsse. Arbeitsplätze sollen schließlich auch erhalten bleiben. Queißer: „Wenn wir hier als Stadt nicht eine klare Planung ansagen, dann läuft das womöglich aus dem Ruder.“

Behutsamer Umgang mit Gewerbe

In der Beschlussvorlage heißt es deshalb: Der Plan sieht ein Heranwachsen der Wohnbebauung zu dem westlich vorhandenen Gewebestandort vor. Dies soll sehr behutsam und unter besonderer Berücksichtigung des vorhandenen Gewerbes erfolgen. So soll insbesondere sehr frühzeitig im Rahmen eines Verträglichkeitsgutachtens nachgewiesen werden, welche besonderen Lärmschutzanforderungen an die Wohnbebauung gestellt werden.

Als maximal westliches bzw. nördliches Ende einer zukünftigen Wohnbebauung soll die noch ruinös vorhandene Fabrikantenvilla Fabrikstraße 9 die Raumkante bilden. Die Belange des Hochwasserschutzes sind zu berücksichtigen und planerisch abzubilden. Immerhin, auf den mehr als 10 000 Quadratmetern Fläche sind mehr als ein Dutzend Kleinbetriebe ansässig. Reparaturfirmen für seltene Motorräder aus Russland, Sanierer von historischen Autos der Marken Mercedes, Dodge und Audi beispielsweise. In der Summe mit Arbeitsplätzen eines mittelständischen Unternehmens.

Und was sagt Oliver Albrecht zur de-facto-Aufwertung seines Grundstücks? Eine Verbindung zu ihm selbst komme nur über eine Mittelsfrau zustande, heißt es auf deren Auskunft. Auf die SZ-Bitte, seine Meinung zu dem bevorstehenden Bebauungsplan der Stadt Radebeul zu äußern, hat Albrecht bis Redaktionsschluss nicht reagiert. Er soll sich in Spanien aufhalten.