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Geld oder Liebe in Görlitz

Puccinis Erfolgsoper „Manon Lescaut“ hat bei der Premiere am Gerhart-Hauptmann-Theater in Görlitz Licht und Schatten.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Jens Daniel Schubert

Manon Lescaut“ ist eine Erfolgsgeschichte, nur nicht für die Titelheldin. Die stirbt ihren Bühnentod, gebeutelt vom Leben zwischen Liebe und dem Hang zu den Schönen und Reichen. Nach dem Buch von Prévost gibt es knapp zehn Adaptionen für die Bühne. Darunter sind drei Opern von Auber, Massenet und Puccini, dem mit ihr der Durchbruch gelang. Sie hatte nun in Görlitz Premiere. Wieder war das Publikum von den Wechselfällen im Leben und der soghaften Musik in einer kraftvollen Interpretation begeistert.

Manon, nach dem letzten Willen ihres Vaters auf dem Weg ins Kloster, gerät mitten ins bunte Leben. Gleich zwei Männer versuchen, fasziniert von ihrer Schönheit, mit ihr zu fliehen. Zwar entscheidet sie sich für die große Liebe Des Grieux, doch im nächsten Bild lebt sie im Luxus des Anderen, des reichen Geronte. Ihr Bruder, der bei allem seinen Schnitt macht, stellt die Verbindung zu Des Grieux wieder her. Manon will mit dem Gold des Einen und der Liebe des Anderen glücklich werden. Doch sie scheitert.

Mit anderen Frauen wird sie nach Amerika verbannt. Ein Befreiungsversuch Des Grieux misslingt. Als Schiffsjunge kann er bei der Geliebten bleiben. Die Oper zeigt nichts von glücklichen Tagen in der Neuen Welt, sondern das verdurstende Paar in einer Wüste. Ihr qualvoller Tod und seine Hilflosigkeit sind das Ende der Hoffnung. Die Diskontinuität der Handlung, die großen Sprünge in Zeit und Raum, die heute kaum mehr zu erfassende Problematik eines „lasterhaften Lebens“, das mit Verbannung geächtet wird, sind große Herausforderungen an eine Inszenierung.

François de Carpendries hat sich diesen in Görlitz gestellt. In der Ausstattung von Karine Van Hercke lässt er das erste Bild nicht auf einem öffentlichen Platz, sondern in einem Fernbus der Hippiezeit spielen. Wenn hinter dem Bus die Postkartenlandschaft vorbei zieht, alle Chorsänger das Wackeln des Gefährtes imitieren und die jeweils agierenden Soli in den Vordergrund gedrängt werden, ist das ein unterhaltsamer Effekt. Doch der verbraucht sich schnell. Die Verlegung der Geschichte in die 60er bringt nichts, außer einem hübschen Petticoat für die Hauptdarstellerin, oder? Diese Frage bleibt nicht nur für dieses Bild unbeantwortet. Im Folgenden ist Geronte ein Nobelfotograf, der seinen Star Manon von Karl Lagerfeld in Barockszenen arrangieren lässt.

Eine nette Idee, die allerdings nichts über die Geschichte erzählt, die darin passiert. Vielmehr wird deutlich sichtbar, dass die Protagonisten ihre Beziehungen zueinander nur spielen. Der Zuschauer findet bei Manon keine echten Gefühle, weder zu dem Einen, noch zu dem Anderen. Ihr Bruder bleibt in seinen Motiven unfassbar. Ähnlich ist es bei der Verschickung im Hafen, wenn die Protagonisten im choreographischen Hin und Her des Chores und der Statisten von einer videoprojizierten Wellenlandschaft ins düstere Irgendwo gestoßen, distanziert ihre Liebesbekenntnisse singen. Das letzte Bild schließlich, hier ein düsterer Sammelplatz alter Reifen, in das Des Grieux die bis auf ein edles Seidenhemd und einen Slip nackte Manon schleppt, setzt mehr die schönen Beine der Protagonisten als ihre Gefühle, ihre Verzweiflung in Szene.

Um die Handlung nachvollziehbar zu machen, werden vor den Zwischenspielen Teile der Originalgeschichte eingelesen. Völlig untheatralisch kommt so das erzählende Element, das Puccini ausgelassen hat, zurück.

Bleibt die Musik. Dirigent Andrea Sanguineti legt sich in Puccini regelrecht hinein. Die Musiker der Neuen Lausitzer Philharmonie dürfen mit vollem Klang Puccinis ganze Kraft zum Leben erwecken. Auch der Opernchor hält wacker mit, selbst wenn Bühne und Graben nicht immer auf dem gleichen Schlag musizieren. Die Protagonisten können sich in der energiereichen, aufblühenden und in Klangfülle schwelgenden Interpretation gut behaupten. Ji-Su Park gibt einen glatten Bruder, Federico Sacchi einen voll klingenden Geronte, Paolo Lardizzone einen strahlenden Des Grieux.

Als neckisches Mädchen, Femme fatale, abgehärmte Büßerin und ausgelaugte Verzweifelte hat Patricia Bänsch ein großes Spektrum theatralischer Typen, die sie erwartungsgerecht abruft. Dabei findet sie auch ihren Weg, der anspruchsvollen Partie gesanglich zu entsprechen. Das macht Eindruck. Mit mehr Differenzierung im Gesang und einer ernsthaften Konzentration auf innere statt äußerlicher Vorgänge, könnte „Manon“ wirklich ergreifend sein, was den Erfolg in Görlitz natürlich nicht in Abrede stellt.

Termine: 14.04., 15.04., 30.04., 06.05., 19.05.2017; Kartentelefon: 03581 474747