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„Geld her, halt’s Maul“

Beim Prozess gegen drei Meißner am Landgericht rücken auch zwei Überfälle in Coswig in die Fokus.

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© André Wirsig

Von Stephan Klingbeil

Coswig/Dresden. Es war nicht ihr erster Überfall. Die Erinnerungen daran waren schon verblasst. Als aber der Mann vor ihr mit der Waffe herumfuchtelte, kam bei der 34-jährigen Coswigerin alles wieder hoch. Die Verkäuferin, die nach dem ersten Raub den Arbeitsplatz wechselte und dann im Edeka-Einkaufsmarkt in Coswig anfing, blickte am Dienstagnachmittag am Landgericht Dresden an jenen 21. Dezember vorigen Jahres zurück. Was damals geschah, beschäftigt seit voriger Woche die 14. Große Strafkammer.

Dort wird drei Deutschen aus Meißen der Prozess gemacht. Raub, räuberische Erpressung, Körperverletzung, Diebstahl und vieles mehr wird ihnen vorgeworfen. Mal hätten sie alleine gehandelt, mal zu zweit, mal mit Verdächtigen, gegen die gesondert ermittelt wird. Während der 33-jährige Michael B. wohl „nur“ bei einem Raub beteiligt gewesen war, bei dem es darum ging, in einer Wohnung in der Meißner Talstraße „Schulden einzutreiben“, seien die zwei anderen Angeklagten, der 22-jährige Dennis B. und der drei Jahre ältere Brian G., für über 20 Straftaten im Elbland verantwortlich. Auch wegen des Überfalls im Edeka wurden sie angeklagt.

Als die Marktmitarbeiterin damals gegen 17 Uhr eine Pause machte, fiel ihr der Mann auf, der aus der Notfalltür im Personalbereich des Edeka eilte. „Die Tür stand offen, damals war die Alarmanlage zwar da, aber noch nicht in Betrieb“, antwortete sie der Vorsitzenden Richterin. Die Frau unterrichtete umgehend der Marktleiterin.

Doch dieser Vorfall war wohl nur das Vorgeplänkel. Kurz vor 19.30 Uhr kehrten sie zurück. „Ich habe meine Kasse genommen und wollte ins Büro das Geld zählen, so wie immer“, sagte die Verkäuferin. Im Zimmer angekommen, stand plötzlich dieser Mann vor ihr. „Der hatte ganz unreine Haut, hatte einen Schal um, und trug neongrüne Schuhe“, erinnert sich die Frau.

Was sie aber noch länger beschäftigte, war die Pistole, mit der er auf sie gezielt habe. Er drohte: „Geld her, und halt’s Maul“. Dass es sich bei der Waffe um eine offenbar zweieinhalb Stunden zuvor im Markt gestohlene Spielzeugpistole gehandelt habe, merkte sie nicht: „Die Waffe sah echt aus.“

Der Pistolenmann, laut Ermittlern könnte es sich um Dennis B. gehandelt haben, machte kurzen Prozess. Er nahm die Kasse, griff sich die Geldscheine und suchte das Weite. Rund 450 Euro soll er erbeutet haben. „Ich blieb erst mal sitzen und musste wieder an den ersten Überfall denken, nachdem ich lange Angstzustände hatte“, erklärt die 34-Jährige. Dann ging sie in den Markt zurück, wo sich offenbar noch Brian G. aufhielt – nicht weit entfernt vom Zugang zum Personalbereich. Es sei der Mann gewesen, der zuvor aus dem Notausgang gerannt war.

Die Frau hatte die zwei vorbestraften Angeklagten erst bei der Polizei wiedererkannt, dort hatten Beamte ihr 16 Fotos von möglichen Tatverdächtigen vorgelegt. Sie identifizierte Brian G. erst auf den zweiten Blick, Dennis B. erkannte sie indes sofort. Letzterer wurde Anfang Februar verhaftet, nachdem er ein Taxi ausgeraubt und einen Rollstuhlfahrer bestohlen hatte.

Doch nicht nur das: Am späten Nachmittag des 28. Januar soll der 22-Jährige eine Rentnerin auf der Dresdner Straße in Coswig überfallen haben. „Ich kam vom Einkaufen, stand vor der Haustür, da kam der Mann auf mich zu, durchwühlte meinen Korb im Rollator“, sagt die 88-Jährige. „Ich stand unter Schock, konnte auch nicht am Haus klingeln. Doch ich muss versucht haben, ihn zu hindern, mein Portemonnaie zu stehlen.“ Sie sei mit dem Finger am Rollator hängen geblieben. Blut floss. Während der Unbekannte floh, musste sie wegen des lädierten Fingers ins Krankenhaus.

Inwiefern Dennis B. überhaupt schuldfähig ist, wird sich am Verhandlungsende zeigen. Er habe täglich vier Gramm Crystal genommen. Auch die anderen Angeklagten handelten wohl im Drogenrausch. Welchen Einfluss das auf Strafen hat, wird sich zeigen. Der Prozess wird fortgesetzt.