Merken

Gekommen, um zu pöbeln

Beim Tag der offenen Tür im Asylheim in Stetzsch entladen sich Wut und Vorurteile. Tags darauf gibt es einen Anschlag.

Teilen
Folgen
© Sven Ellger

Von Anna Hoben

Es ist 18.30 Uhr am Sonntagabend, als Steine durch die Fenster des Lindenhofes in Stetzsch fliegen. Sechs Scheiben gehen laut Polizei zu Bruch. An der Esso-Tankstelle nebenan nehmen die Beamten kurz darauf die Identitäten von 27 Personen auf. Es werde geprüft, ob diese mit der Tat in Verbindung stünden, hieß es. Es ist die jüngste Eskalation in der Asyldebatte in Dresden. Wieder einmal hat sich Rassismus entladen.

Die Dresdner Sozialamtsleiterin Susanne Cordts und ihre Kollegen mussten sich verbaler Angriffe und Pöbeleien erwehren.
Die Dresdner Sozialamtsleiterin Susanne Cordts und ihre Kollegen mussten sich verbaler Angriffe und Pöbeleien erwehren. © Sven Ellger
Am Sonntagabend werfen Unbekannte Steine durch die Fenster des Lindenhofes in Stetzsch. Sechs Scheiben gehen zu Bruch.
Am Sonntagabend werfen Unbekannte Steine durch die Fenster des Lindenhofes in Stetzsch. Sechs Scheiben gehen zu Bruch. © Archivbild: Norbert Millauer

Schon tags zuvor, am Sonnabendnachmittag, spielten sich dort Szenen ab, die mit dem Äußern von Sorgen und Ängsten nicht viel zu tun hatten. Das Haus auf der Podemusstraße soll in dieser Woche als Asylheim eröffnet werden, deshalb veranstaltet die Stadt einen Tag der offenen Tür. Die Verantwortlichen wollen Nachbarn und andere interessierte Bürger informieren: Wie werden die Asylbewerber dort leben? Wer kümmert sich um sie?

Es wird eine hässliche Veranstaltung, die zeigt: Viele Menschen sind mit Sachargumenten nicht zu erreichen. Die Atmosphäre ist geprägt von Hass, von Anfang an fallen Kraftausdrücke. 20 Minuten nach Beginn wird die Besichtigung der oberen Etagen unterbrochen, das Treppenhaus gesperrt. Der Grund: ein übler, stechender Geruch. Die herbeigerufene Feuerwehr kann die Ursache zunächst nicht feststellen. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat jedoch jemand Buttersäure ausgekippt.

Die Leiterin des Sozialamtes, Susanne Cordts, zeigt sich vom Verlauf der Veranstaltung hinterher wenig überrascht. Nach der Petition gegen das Heim sei dies zu erwarten gewesen. Eigentlich ist der Tag der offenen Tür dazu da, mit den Bürgern in Dialog zu treten. „Man kann jedoch nicht ernsthaft behaupten, dass das ein Dialog war“, sagt Susanne Cordts trocken. Trotzdem bleibt sie optimistisch. „Bürgerschaftliches Engagement ist auch hier vorhanden, es ist nur noch nicht so organisiert wie in Löbtau“. Dort war im Februar dieses Jahres ein neues Asylheim mit 40 Plätzen eröffnet worden. Seitdem kümmert sich das Bündnis „Willkommen in Löbtau“ ehrenamtlich um die Bewohner. Vertreter des Bündnisses sind an diesem Sonnabend auch nach Stetzsch gekommen.

Um 14 Uhr öffnet sich die Tür des ehemaligen Hotels Lindenhof. Ungefähr 70 Menschen sind gekommen, im Lauf des Nachmittags werden es mehr. Eine Frau betritt den gelb und rot gestrichenen Gemeinschaftsraum und ruft: „Da kommen Tausende noch, wenn die so empfangen werden!“ Einige Männer rücken derweil Susanne Cordts auf die Pelle. Sie wollen keine Begrüßung hören, sie wollen Fragen loswerden, Antworten darauf wollen sie wiederum offenbar nicht hören. Die Fragen klingen so: „Wer autorisiert Sie, in diesem Objekt Asylanten unterzubringen?“ Geduldig erklärt die Sozialamtsleiterin den Stadtratsbeschluss vom 11. Dezember 2014. Nächste Frage: „Hat jemand das Volk befragt?“ Geduldig erklärt Susanne Cordts, dass der Stadtrat demokratisch von den Bürgern gewählt wurde. „Wir sind nicht gewillt, hier harmlos zuzusehen“, droht ein wütend erregter Anwohner. Wie andere hat er offenbar Angst, dass die Kriminalität im Viertel ansteigen wird.

Platz für 33 Asylbewerber

Die Vertreter der Stadtverwaltung und die Cottaer Ortsamtsleiterin Irina Braune bieten der Aggression tapfer die Stirn. Die kleine, energische Frau appelliert an Vernunft und Mitgefühl. Manchmal gibt es einen Lichtblick, zum Beispiel, wenn jemand sagt: „Stimmt, man sollte nicht alle vorverurteilen.“ Eine Präsentation zum Thema Asyl muss fast abgebrochen werden, weil Besucher ständig mit Zwischenrufen unterbrechen. „Die Belehrung provoziert die Leute“, sagt der anwesende AfD-Stadtrat Stefan Vogel. Doch er mahnt auch mehrmals zu mehr Ruhe im Gespräch.

Das Haus bietet Platz für 33 Menschen. Am Mittwoch sollen die ersten Bewohner einziehen, vorrangig alleinstehende Männer: zehn aus Afghanistan, zehn aus Pakistan, sechs aus anderen asiatischen Ländern und zwei aus Syrien. Es gibt Einzel-, Zwei- und Dreibettzimmer, einen Gemeinschaftsraum und eine Küche mit fünf Herden. Drei Mitarbeiter kümmern sich um die Bewohner: ein Heimleiter, ein Hausmeister und ein sozialer Betreuer. Die Firma Human Care betreibt das Haus vorerst, es gibt jedoch noch eine Ausschreibung.