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Gekommen, um zu bleiben

Der Schwarzwälder Ernst Ulrich Köpf war der erste Westdeutsche am Tharandter Uni-Standort. Nun erzählt er von dieser verrückten Zeit.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Franz Werfel

Tharandt. Seine neuen Kollegen wussten von nichts. In den Wendewirren war Ernst Ulrich Köpf der erste westdeutsche Dozent an der Tharandter Forstfakultät. Im Oktober 1990, drei Tage nach der besiegelten Wiedervereinigung, stellte sich der Wissenschaftler den anderen Hochschullehrern vor. Diese waren überrascht. „Ich habe ihnen gesagt: Ich bin schon finanziert, vom deutschen akademischen Austauschdienst. Ich soll hier mithelfen“, sagt der 79-Jährige. Der Umzug vom schwarzwälderischen Baiersbronn an den Tharandter Wald war für den Wissenschaftler in doppelter Hinsicht eine Herausforderung. Davon wird er am Mittwoch in der Tharandter Bürgerakademie erzählen. „Die erste Zeit war es hier wirklich chaotisch“, so Köpf. Er muss nicht lange nachdenken, um eine Episode aus der Uni-Verwaltung zu finden, die das illustriert: „Ich hatte mich erst kurz zuvor an der Forstlichen Versuchsanstalt in Freiburg habilitiert. Die Arbeit war eine Voraussetzung für meine neue Stelle in Tharandt. Und als ich diese an die hiesige Uni geschickt hatte, hat eine Sekretärin die in irgendeiner Schublade vergraben. Weil sie nichts damit anzufangen wusste.“

Doch auch aus akademischer Sicht bedeutete der Wechsel einen Neuanfang. Ernst Ulrich Köpf sollte in Tharandt die Vorlesung zur Forstpolitik und -ökonomie lesen. „Dass ich mich selbst mit Ökonomie beschäftigt hatte, lag damals schon 30 Jahre zurück – so lange, wie meine eigene Studienzeit“, sagt der Professor. Doch mithilfe befreundeter Kollegen in anderen Universitätsstädten hat er sich in die Themen eingearbeitet – wie schon so oft zuvor in seinem abwechslungsreichen Arbeitsleben.

In Stuttgart geboren, wächst Köpf als Sohn eines Studienrates im Schwarzwald auf. „Förster wollte ich schon als Kind werden“, sagt er. Als Schüler versucht er, mit Fichtenpflanzungen die verheerenden Franzosenschläge in seinem Heimatwald etwas abzumildern. „Das waren regelrechte Reparationshiebe“, erinnert sich Köpf. Damals entdeckt er seine Zuneigung zum Wald. Diesen zu erhalten und zu pflegen, sollte ihm fortan Lebensaufgabe sein. In Freiburg studiert er Forstwissenschaften, nach seinem Diplom geht er für sieben Monate in die USA. Dort lernt er, die US-amerikanische Ökonomie mit der deutschen Forstwirtschaft zu verbinden. Er hätte auch dort bleiben können. „Die Verlockungen Amerikas sind gewaltig“, schwärmt Ernst Ulrich Köpf noch heute. Beim Vergleich der Systeme versteht der Student den grundlegenden Unterschied: In den USA geht es in der Forstwirtschaft – von den Nationalparks mal abgesehen – fast immer um Rendite. „Bei uns geht es aber seit den 60er-Jahren immer auch um Nachhaltigkeit“, so der Professor.

Er kommt also zurück nach Deutschland und promoviert in München: „Über die Grundlagen rationaler Investitionspolitik in der Forstwirtschaft“. Dort lernt er auch eine Germanistikstudentin kennen, die seine Frau werden wird. Gunda, eine gebürtige Wienerin. Eingedenk eines Satzes seines Vaters: „Junge, heirate jung!“, fasst sich Ernst Ulrich Köpf ein Herz. Die beiden heiraten noch im selben Jahr. In den früheren 70ern verbringt die junge Familie zwei interessante Jahre in Rom. Als Nachwuchsbeamter arbeitet Ernst Ulrich Köpf in der italienischen Hauptstadt für die Welternährungsorganisation. Damals haben ihn die Ansätze der vor allem von Amerikanern und Engländern dominierten Organisation abgestoßen. „Dort haben wir keine Entwicklungshilfe gemacht, sondern die Ausbeutung der jeweiligen Länder vorbereitet“, so Köpf. Als er das laut sagt, muss er wieder gehen.

Fünf Jahre später, 1980, wechselt er in die Politik – und wird SPD-Bürgermeister von Baiersbronn. Mitten im CDU-schwarzen Schwarzwald. Nach acht Jahren scheitert Ernst Ulrich Köpf an der Wiederwahl. „Da hatte ich eine Lebenskrise“, sagt er. Als ihn der Ruf nach Tharandt ereilt, hat er sich zwei Jahre lang mit Forschungsprojekten über Wasser gehalten.

Aber Tharandt war viel mehr, als nur ein Rettungsanker. „Ich war damals 53 und habe mir klar gemacht, dass ich noch zwölf Jahre lang junge Leute vor mir haben könnte, die vielleicht eines Tages meine Ideen weitertragen würden.“ Fünf Jahre lang führen Gunda und er eine Wochenend-Ehe. Dann zieht auch sie nach Tharandt. Die Köpfs bleiben in der Forststadt und engagieren sich. Gunda Köpf leitet seit zehn Jahren die Tharandter Bürgerakademie. Ihr Mann ist der Vorsitzende des Verkehrs- und Verschönerungsvereins. „Wir sprechen gern vom Glück des Alters“, sagt Gunda Köpf. Und ihr Mann ergänzt: „Wir fühlen uns hier einfach wohl. Besser kann es gar nicht gehen.“

Seinen Vortrag „Wie mir Tharandt zur Heimat wurde“ hält Ernst Ulrich Köpf am Mittwoch, dem 19. Oktober, um 15.30 Uhr in der Tharandter Kuppelhalle. Der Eintritt kostet vier Euro, die Semesterkarte für alle zehn Vorträge in diesem Wintersemester kostet 30 Euro.