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Geisterfahrer wurde nicht aufgehalten

Nach seinen nächtlichen Messerattacken auf zwei Männer fuhr der Angeklagte nach Tschechien – auf der falschen Spur der Autobahn.

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© dpa

Von Alexander Schneider

Es ist ein Skandal, der das Bemühen um eine grenzübergreifende Kriminalitätsbekämpfung nach Strich und Faden blamiert. Auf der Autobahn 17 verfolgte eine Streife der Bundespolizei an einem frühen Morgen im Februar 2012 einen Geisterfahrer Richtung Tschechien. Als die Beamten den Mann nach drei Kilometern fast eingeholt hatten, war der schon über der Grenze, nun auf der richtigen Fahrspur. Aus der Entfernung mussten die Beamten beobachten, wie ihre tschechischen Kollegen den Ford Fiesta nur kurz anhielten. Doch der Geisterfahrer durfte unbehelligt weiterfahren. Am Steuer des Fiesta saß Mehmet Ü. Der 27-jährige Türke soll unmittelbar vor seiner Geisterfahrt zwei Männer in Dresden niedergestochen und lebensbedrohlich verletzt haben.

Seit November steht er wegen versuchten Totschlags vor dem Landgericht Dresden. Als Mehmet Ü. jedoch nach Tschechien fuhr, konnte er nicht ahnen, dass seine Opfer die Attacken überleben würden. Sein aufgewühlter Zustand in der Tatnacht könnte erklären, dass er falsch auf die A17 auffuhr. Warum der Geisterfahrer jedoch nicht überprüft wurde, darüber kann sich Oliver D. (30), einer der Bundespolizisten, auch nur wundern.

Dabei war Mehmet Ü. blutverschmiert, im Auto lagen zwei Messer, an einem klebte ebenfalls Blut. Nur eine halbe Stunde später kehrte Ü. zurück, wurde dann von der Bundespolizei festgenommen. Zu Oliver D. sagte Ü., er habe in Tschechien Crystal kaufen wollen.

Es ist ein bizarrer Prozess der Schwurgerichtskammer. Laut Anklage hat Mehmet Ü. am 20. Februar innerhalb weniger Minuten zwei Männer niedergestreckt. Zunächst habe er gegen 23.30 Uhr vor einem Shisha-Café in der Louisenstraße einem Landsmann (38) von hinten ein Messer in den Hals gestochen. Danach habe er in Blasewitz einen Iraker (32) an dessen Wohnungstür überfallen. Unvermittelt soll er 13-mal auf ihn eingestochen haben.

Nachdem die Opfer als Zeugen ausgesagt hatten, dass sie die Angriffe nicht erwartet hätten, hält die Kammer unter der Vorsitzenden Richterin Birgit Wiegand in beiden Fällen auch einen Mordversuch aus Heimtücke für möglich.

Das ist wohl der Grund, warum sich Ü. nach langem Schweigen zu einer Aussage durchgerungen hat. Nun sagte er, er habe die beiden Männer, seine Bekannten, zur Rede stellen wollen, weil er sie im Verdacht hatte, sie hätten ihn mit seiner Frau betrogen. Er habe sie mit dem Messer bedroht, aber nicht zugestochen. Die Aussage erklärt Eifersucht als mögliches Motiv, aber nicht den Tathergang. Der Prozess wird am Montag fortgesetzt.