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Geisterfahrer ohne Einsicht

Verirrt: Ein 75-jähriger Rentner wendete mit seinem VW Polo auf der Autobahnzufahrt – hinter ihm krachte es. Nun muss der Mann drei Monate laufen.

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© dpa/Symbolbild

Von Alexander Schneider

Keine Reue, keine Entschuldigung. Zehn Monate nach einem irren Verkehrsunfall an der Anschlussstelle Neustadt der Autobahn 4 hätte man ein wenig mehr Empathie seitens des Angeklagten gewünscht. Der Mann befuhr als Geisterfahrer die Autobahnzufahrt am Elbepark in entgegengesetzter Richtung. Gestern stand der 75-jährige Rentner wegen Unfallflucht vor dem Amtsgericht Dresden. Ohne es zu beabsichtigen, räumte er den Vorwurf ein – beharrte aber weiter auf einen Freispruch.

Laut Anklage war Joachim W. in seinem dunkelblauen VW Polo bereits auf der Zufahrt zur A 4 Richtung Görlitz unterwegs, als er plötzlich blinkte und rechts am Fahrbahnrand anhielt – in Höhe der Jet-Tankstelle am Elbepark. Während die folgenden zwei Autos rechtzeitig scharf abbremsten, schaffte es Opel-Fahrer Timo R. nicht mehr ganz. Er krachte auf den VW Golf vor ihm und demolierte das Heck des weißen Cabrios. Schaden: Die Beifahrerin im Golf erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma, das Cabrio musste für 4 500 Euro repariert werden. VW-Fahrer Tobias K., Timo R. im Opel und seine damals fünfjährige Tochter kamen mit dem Schrecken davon.

Kurz nach dem Zusammenstoß sahen die Unfallbeteiligten, wie der Rentner-Polo ihnen entgegenkam und Richtung Kaditz fuhr – entgegen der erlaubten Fahrtrichtung. K. sprach den Angeklagten an und bat ihn anzuhalten wegen des Unfalls. Doch der Rentner fuhr weiter.

Richter erhöht das Fahrverbot

Der Angeklagte sagte, er habe nach der Washingtonstraße verpasst, links zum Riegelplatz abzubiegen. Das habe er bemerkt, als er schon auf der Autobahnzufahrt war. Daher habe er dort geblinkt, sei rechts rangefahren und habe gewartet, bis es frei war. Dann habe er gewendet. W. behauptete, sogar noch gewartet zu haben, um ein anderes Auto aus Richtung A 4 vorbeizulassen – das war aber wohl eine reine Schutzbehauptung. Er war der Einzige, der dort als Geisterfahrer aufgefallen ist.

„Sie wussten, dass Sie nicht zurückfahren durften“, sagte Richter Jochen Meißner – darauf der 75-Jährige: „Nein.“ Anschließend sagte W., er habe den Unfall nicht bemerkt. Zu Tobias K. habe er gesagt, „ich habe mit dem Unfall nichts zu tun“ und sei weitergefahren.

Die Zeugen berichteten, dass das Verkehrsaufkommen an jenem 11. Dezember vergangenen Jahres gegen 16.30 Uhr sehr hoch gewesen sei. „Das war im Feierabendverkehr“, so Juliane K., Beifahrerin im Golf. Der Polo sei ihr sofort aufgefallen: „Das Auto kam die Auffahrt verkehrt herum herunter. Halb auf dem Wiesenstreifen“, sagte die 30-Jährige.

Joachim W. hatte einen Strafbefehl mit Geldstrafe und einem Fahrverbot von zwei Monaten nicht akzeptiert. Richter Meißner verurteilte ihn nun zu einer Geldstrafe von 500 Euro und einem Fahrverbot von drei Monaten. Dies sei notwendig, damit der Angeklagte sein Fehlverhalten einsieht. Spätestens als W. angesprochen worden war, musste dem Rentner klar gewesen sein, dass er als mutmaßlich Beteiligter eines Unfalls hätte vor Ort bleiben müssen. W. und sein Verteidiger Michael Bürger akzeptierten das Urteil offensichtlich nicht. Die Sache ist noch nicht rechtskräftig.