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Geheimsache Trinkgeld

Geben Kunden in Zeiten von Sparzwang und EC-Karte freiwillig mehr aus? Darüber reden will kaum jemand.

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Von N. Franke, R. Kühr und S. Gerhardt

Region. Frank Müller ist einer der Wenigen, die offen darüber reden. Ansonsten wird das Thema lieber hinter vorgehaltener Hand behandelt: Trinkgeld. Der Herrnhuter Optikermeister Müller räumt ein, dass, wer auf reichlich zusätzliche Einnahmen für seine Dienstleistungen aus ist, lieber einen anderen Beruf ergreifen sollte. In seinem Geschäft seien es meist die kostenlosen Gefälligkeiten, wie ein Brillengestell wieder in Form zu bringen, wofür dem Herrnhuter die Kunden ein, zwei Euro dalassen. „Die Brillen werden auf den Cent genau bezahlt, ganz gleich ob bar oder mit Karte“, sagt der Fachmann aus Herrnhut über seine Erfahrungen.

Erfahrungen und Beobachtungen mit dem Thema Trinkgeld machen auch viele andere Händler und Dienstleister im Altkreis Löbau-Zittau. Niemand will aber namentlich in der Zeitung erwähnt werden und offen darüber Auskunft geben, ob und wie viel er von seinen Kunden bekommt. Über die Gründe kann auch Thomas Tamme von der IHK in Zittau, der Vertretung der Unternehmen, nur mutmaßen. Zum einen fürchten sicher viele Unternehmer Nachteile bei den Steuerzahlungen. Denn das Trinkgeld gilt laut Gesetz als Einnahme der Firma. Das Finanzamt legt mitunter sogar Pauschalbeträge fest, die bei der Steuererklärung eines Unternehmers als Einnahme mit berücksichtigt werden. „Es wird dann eingeschätzt, wie viel Trinkgeld in einer Branche üblich ist“, so der IHK-Mitarbeiter.

Eine Frisörmeisterin aus der Region vermutet einen weiteren Grund, warum die Sache mit dem Trinkgeld so geheim ist: „Über Geld wird einfach nicht geredet“, sagt sie. Denn es gebe schließlich auch Konkurrenzdenken untereinander. „Keiner will preisgeben, wie viel er wirklich verdient.“ Sie selbst hat in ihrem Geschäft die Erfahrung gemacht, dass Trinkgeld durchaus noch gegeben wird, als Dank für die Dienstleistung. „Ich erwarte es aber nicht von den Kunden.“ Früher, so die Frisörmeisterin, war Trinkgeld in der Branche üblich, weil die Frisörinnen sehr wenig verdienten. Mit der Einführung des Mindestlohns habe es deshalb einen spürbaren Einbruch beim Trinkgeld gegeben. Das Trinkgeld-Geben sei zudem eine Generationsfrage. „Ältere sind spendabler als Junge.“

Nicht zuletzt ist daran sicher auch die Tatsache schuld, dass das Plastikgeld auf dem Vormarsch ist, sagt Thomas Tamme von der IHK. Wer meist mit EC-Karte zahlt, hat kaum noch Bargeld dabei. In Löbaus Gaststätten zeichnet sich dabei eine klare Tendenz ab. „Je mehr auf Bargeld verzichtet wird, umso weniger Trinkgeld wird es wohl in Zukunft geben“, denkt eine Restaurantbesitzerin, die – wie alle anderen befragten Gastronomen – anonym bleiben will. Von den Gästen, die bargeldlos bezahlen, ist höchsten etwas Kleingeld zu erwarten. Richtiges Trinkgeld gibt es nur von Barzahlern. Die Gastronomin sagt weiter: „Besonders wenn es um Gutscheine geht, werden die Menschen geizig. Wenn sie sowieso schon weniger bezahlen müssen, geben sie oftmals auch nichts mehr dazu.“

Besonders bei den Gutscheinheften sei das auffallend, obwohl es sich bei dem zweiten, kostenlosen Essen ja um ein Geschenk der Gaststätte handelt. Ein anderer, der in Löbau ein Lokal betreibt, resümiert: „Es gibt nicht unbedingt weniger Trinkgeld als früher, doch es schwankt bei den verschiedenen Gästen sehr stark.“ In der Regel gebe es aber im Gastronomiebereich tatsächlich doch zwischen fünf und zehn Prozent Trinkgeld. Wenn in den Lokalen nur mit Bargeld bezahlt werden kann, wird auch mal häufiger aufgerundet. Restaurantinhaber, die zusätzlich die EC-Karten-Zahlungen akzeptieren, müssen feststellen, dass das Trinkgeld ausbleibt.

Neben den Tringeld-Klassikern Gaststätte und Frisör gibt es auch Branchen, in denen es generell schlechter aussieht mit dem zusätzlichen Obolus. Gerade in Werkstätten wird mittlerweile oft auf Trinkgeld verzichtet. „Heute wird alles mit Karte bezahlt. Da wird der Betrag eingegeben, das war‘s“, sagt ein Werkstattbesitzer. Früher gab es öfter einen kleinen Betrag für die erbrachte Arbeit. Heute sei das nicht mehr die Regel. Ähnlich sieht es bei Bäckern und Fleischern aus. „Die Kunden geben kaum noch Trinkgeld“, sagt eine Fleischerei-Verkäuferin. Selbst wenn nur bar gezahlt werden kann, halte sich das Trinkgeld in Grenzen. „Das war früher anders“, sagte sie. Insgesamt zeigt der Überblick: Trinkgeld gibt es oft nur, wenn bar bezahlt wird. Dennoch: Möglich ist es auch bei der Kartenzahlung, Trinkgeld zu geben. Es könne ein höherer Betrag bei der Abbuchung eingegeben werden, erklärt die Chefin eines Frisörsalons in der Region. Es sei aber dann sehr kompliziert bei der Abrechnung das alles wieder auseinander zu sortieren und richtig zuzuordnen. Die Kleingeldmünze sei deshalb doch die einfachere Variante.

Wie das Trinkgeld verteilt wird, ist übrigens Sache des Chefs. Meist erhält die Frisörin, der Verkäufer oder Kellner das Geld direkt und kann es behalten. „Manche Kunden möchten aber etwas für alle Kollegen geben“, sagt die Frisörmeisterin. Dieses Geld kommt in ein Sparschwein und wird tatsächlich für das ganze Team verwendet. „Meistens gehen wir davon essen oder machen einen gemeinsamen Ausflug.“ So hat das Trinkgeld der Kunden noch einen schönen Nebeneffekt: Es stärkt den Zusammenhalt des Teams.