Merken

Geheimnis um Soldatengrab gelüftet

70 Jahre hat die Grabstätte in Wachau kaum einer beachtet. Jetzt beschäftigt sich die Polnische Botschaft mit ihr.

Teilen
Folgen
NEU!
© Thorsten Eckert

Von Thomas Drendel

Wachau. Jahrzehntelang hat das Grab am Rande des Friedhofes in Wachau niemand beachtet. Es gibt keinen Grabstein, nirgendwo ist eine Inschrift zu finden, kein Kreuz, nichts. Und dennoch war die Grabstelle bei den älteren Wachauern immer präsent. Wenn die Sprache auf den Friedhof kam, war geheimnisvoll vom „Polengrab“ die Rede. Wer hier genau liegt, um wie viele Menschen es sich handelt, wusste offiziell niemand. Es gab keine Unterlagen im Wachauer Friedhofsregister, genauso wenig in der Friedhofsverwaltung in Radeberg.

Vor zwei Jahren kam die Sache ins Rollen. Bernd Schulze, der zahlreiche Texte für die Heftreihe „Neue Beiträge zur Geschichte Wachaus“ geschrieben hat, begann zu recherchieren. „Einmal wegen der vielen Nachfragen, dann kam ein Schreiben von Wolfgang Nicht, ehemaliger Vorsitzender der Sächsisch-Polnischen Gesellschaft, in der Gemeindeverwaltung an, das dann an mich weitergegeben wurde“, erinnert sich der Wachauer. Wolfgang Nicht hatte nach vagen Hinweisen in polnischer Literatur in Wachau nach einem Grab mit polnischen Soldaten gesucht, konnte aber nichts finden. „Zunächst habe ich mich in Archiven umgesehen. Da war aber nichts“, sagt Schulze. „So blieb mir nur, bei älteren Einwohnern nachzufragen.“

Kämpfe in der Näheder Autobahn

Schließlich fand er, wonach er suchte. Eine Wachauerin erzählte ihm, dass es in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges in der Nähe der Autobahn bei Wachau zu Kämpfen gekommen ist. Dabei wurden an der Brücke über die Autobahn in Richtung Lomnitz drei polnische Soldaten von SS-Männern erschossen. „Nach ihrem Bericht sind sie anschließend unweit der Autobahn im Bereich des Saugrabens notdürftig verscharrt worden“, sagt Bernd Schulze. Dort hat sie Wochen nach dem Kriegsende dann der Wachauer Totenbettmeister Reinhard Hempel wieder ausgegraben. „Die Überreste wurden wahrscheinlich mit einfachsten Mitteln in Kisten und auf dem Handwagen auf den Friedhof gebracht und in dem gemeinsamen Grab beerdigt.“ Nach dem Tod von Reinhard Hempel übernahm seine Frau die Bepflanzung und Pflege des Grabes, später dann ihre Tochter. Einen offiziellen Auftrag gab es dazu nicht. Die Blumen stammten aus ihrem Garten. Diese Erkenntnisse hat Bernd Schulze im Heft 11 der Wachauer Beiträge veröffentlicht.

Monate später erzählte Bernd Schulze die Geschichte einem Freund, einem Professor an der Universität Wroclaw, und schickte ihm auch den Text aus dem Wachauer Heft. „Er fand das so interessant, dass er die Zeilen an die Kommission für die Verfolgung von Verbrechen gegen die polnische Nation am Institut des Nationalen Gedenkens in Warschau weiterleitete“, berichtet der Wachauer. Von dort ist der Text offenbar an die Polnische Botschaft in Berlin gelangt. „Ich habe dann die Anfrage bekommen, ob sich ein Mitarbeiter mit mir treffen und sich die Grabstätte ansehen kann.“ Ende Februar kam dann Botschaftssekretär Marek Sorgowicki nach Wachau. „Wir besuchten das Grab. Er stellte dabei eine Menge Fragen und machte Fotos.“ Anschließend sind sie mit dem Diplomaten-Wagen an die Autobahn zum vermutlichen Todesort der Soldaten gefahren. Auch hier wieder viele Fragen. „Jetzt werden meine Angaben überprüft. Der Mitarbeiter erklärte, einen Bericht an das Institut des nationalen Gedenkens in Warschau zu schicken. Eine Antwort steht noch aus“, sagt Bernd Schulze. Er ist sich nicht sicher, ob die Soldaten je identifiziert werden können. Nach seinen Recherchen gehörten sie der Zweiten Polnischen Armee an. Bewahrheiten sich die Erkenntnisse von Bernd Schulze, kommen Botschaftsangehörige sicher erneut nach Wachau. Diesmal, um eine Gedenktafel am Grab anzubringen.