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Geheime Schätze in Hermsdorf

Der Trödelmarkt am Sonnabend lockte viele Gäste. Zu haben waren auch Ottendorfer Exportschlager, mit denen die DDR einst richtig Kasse machte.

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© Bernd Goldammer

Von Bernd Goldammer

Zahlreiche Aussteller und Hunderte Gäste waren Sonnabend zum Hermsdorfer Schloss unterwegs. Hier fand ein Trödelmarkt der ganz besonderen Art statt. Profis sind hier ausgeschlossen – so ist es bereits auf dem Plakat zu lesen. Und das hat verständliche Gründe. Hier soll es nämlich nicht nur um Verkauf gehen. Es soll auch etwas Heimatgeschichte zu erleben sein. Viele Leute haben im Laufe ihres Lebens Dinge zusammengetragen. Jetzt fehlt der Platz dafür. Doch Wegwerfen ist keine Option. Zu viele schöne Lebenserinnerungen hängen an diesen Stücken. Sentimentalität ist schließlich ein Menschenrecht! Also landeten Prachtstücke vergangener Zeiten in Garagen, Kellern und Dachböden. Bis es dort auch eng wurde. Der Hermsdorfer Trödelmarkt am Schloss ist gewissermaßen die Antwort auf Probleme dieser Art.

Da sieht man, wer die guten Stücke begehrt und ob sie weiter in Ehren gehalten werden. In Trödlerstücken werden Geschichten wach. Sie bilden einen Teil ihres ideellen Wertes. Kein echter Fotofreund kommt an den Ständen von Sigrid Beutner und Anja Schwarz aus Ottendorf vorbei. Im Zeitalter der digitalen Fotografie sind die analogen Kameras zu Liebhaberstücken geworden. Zu DDR-Zeiten kosteten diese Fotoapparate ungefähr das Monatsgehalt eines Gutverdieners. Wenn sie überhaupt mal zu kaufen waren. Für Fotofreunde war schon der Klang des Auslösers feinmechanische Musik. Jetzt sind die Kameras zu Kultobjekten geworden. Zusammen mit den dazugehörigen Objektiven und Laborgeräten waren sie an den Ständen der Flohmarkt-Händler zu sehen. Wie sie sich verkauft haben, bleibt Geschäftsgeheimnis.

Wer hingegen Stücke aus der gläsernen Industrieepoche der Region um Ottendorf-Okrilla suchte, fand dieses Mal allerdings nur wenige Stücke. Sigrid Beutner ahnt den Grund: „Die Ottendorfer haben sich mit ihren Glaserzeugnissen schon zu DDR-Zeiten sehr gut eingedeckt.“ Die Schränke sind immer noch voll. Ganz egal, ob es sich um Vasen, Teller, Aschebecher, Trinkgläser oder Bowlen handelt. Und weil sie inzwischen Heimatgeschichte sind, werden diese Glaswaren mit großer Sorgfalt behandelt. Wer Beziehungen zur Belegschaft des früheren Glaswerkes in Ottendorf-Okrilla hatte, kam irgendwie und irgendwann immer zu den neusten Erzeugnissen. Doch es gab auch einige sehr spezielle Waren, deren Vorhandensein nicht mal in allen Glaswerken bekannt war.

Ihre Existenz sollte geheimbleiben, weil sie gleich nach ihrer Verpackung in den weltweiten Export gingen. Ottendorf spülte Devisen in die Kasse des Arbeiter- und Bauernstaates! Am Stand von Monika und Helmut Guhr war eine gläserne Schmuckdose zu sehen, die unter der Bezeichnung „Oralit“ bekannt geworden war. Was für ein prächtiges Design! Hier auf dem Hermsdorfer Flohmarkt sorgten diese Schmuckdosen immer noch für großes Interesse. Mancher Betrachter erinnert sich in diesem Moment an den Refrain der alten Sachsenglas-Betriebshymne von Wolfgang Kuhnat aus Schwepnitz: „Geschickte Hände schaffen das, was in der Welt heißt Sachsenglas“ – so sangen nicht nur Glasmacher in Schwepnitz und anderswo. Der in Noten geschriebene Herstellerstolz hatte durchaus seine Berechtigung.

Am Stand von Heidi Eilzer aus Schönborn ging es stattdessen um die schmackhafte Gegenwart des Rödertales. Konfitüren und Marmeladen aus Früchten der Region waren hier zu kaufen. Für viele Besucher des Trödelmarktes am Hermsdorfer Schloss sind sie die Entdeckung des Tages. Feingetrocknete Apfelstückchen hat sie ebenfalls anzubieten und auch ihr Schmuck fand großes Interesse.

Der Markt vor der einmalig barocken Kulisse kam bei den zahlreichen Gästen gut an. „Ich finde es schön, dass es Flohmärkte mit diesem besonderen Charakter gibt“, freut sich Anja Lauermann aus Dresden. „Wenn ich etwas über die Artikel weiß, die ich hier in den Händen halte, bekommen sie für mich eine bemerkenswerte Aura“, erzählt Andreas Kaufmann aus Dresden. Und weil es in diesem Moment leise in seinem Beutel klirrt, ahnen die Zuhörer, was er hier gekauft hat.