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Geheime Gehälter

Eine Studie untersucht, wie transparent städtische Firmen mit dem Verdienst ihrer Chefs umgehen. Riesa ist Schlusslicht.

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© Grafik/SZ

Von Britta Veltzke

Riesa. Was haben Schwäbisch Gmünd, Gera und Riesa gemein? Auf den ersten Blick gar nichts. Und doch haben sie eine Gemeinsamkeit. In keiner der Städte haben die Bürger eine Vorstellung davon, wie viel die Geschäftsführer ihrer kommunalen Unternehmen verdienen. Das zeigt das aktuelle Vergütungstransparenz-Ranking. Umgeschaut haben sich die Wissenschaftler der Zeppelin Universität Friedrichshafen dafür in allen deutschen Städten mit mehr als 30 000 Einwohnern, in allen Landkreisen sowie beim Bund und den Bundesländern. Riesa bildet mit Dutzenden anderen Städten das Schlusslicht der Rangfolge.

Für die Studie betrachtet wurden die Stadtwerke, die FVG, das Pflege- und Betreuungszentrum, die Wohnungsgesellschaft Riesa (WGR), die Riesaer Dienstleistungs GmbH, die Allgemeine Grundstücks- und Verwaltungsgesellschaft mbH, die Wohnungsgesellschaft Nünchritz GmbH und Telekabel Riesa GmbH – alles Unternehmen, die jeweils bis zu 100 Prozent der Stadt gehören. Ein und dieselbe Person bekleidet dabei teils mehrere Posten. So ist etwa Reiner Striegler nicht nur Chef der Magnet GmbH, sondern außerdem für die Wohnungsgesellschaft Nünchritz und als Prokurist für die FVG und die WGR verantwortlich. Ebenso ist Kathleen Kießling nicht nur Amtsleiterin für Bildung, Kultur und Soziales im Rathaus. Gleichzeitig lenkt sie die Geschicke der FVG.

„Auffällig niedrig ist die Transparenzkultur in kleineren Städten“, so Studienautor Professor Dr. Ulf Papenfuß. Doch es geht auch anders, wie das Beispiel Mülheim an der Ruhr zeigt. Dort werden die Gehälter aller Stadtmanager offengelegt. Warum er das gut findet, erklärt der Studienautor so: „Transparenz ist ein wesentlicher Baustein für das Vertrauen in den Staat und in öffentliche Institutionen. Es ist kein Nervthema, sondern ein Beitrag zur politischen Kultur.“

Während man in anderen Ländern wie den USA durchaus offen über das Gehalt spricht, ist das in Deutschland eher ungewöhnlich. Kaum jemand redet gern darüber – auch nicht die Chefs der Riesaer Tochterfirmen. Lediglich René Röthig, Chef der Riesaer Stadtwerke, äußert sich ausführlich: „Ich unterstütze den Ansatz der Studie, hier im Sinne unserer Demokratie zu wirken.“ Er würde seine Vergütung auch offenlegen – unter einer Bedingung: „Wenn es eine umfassende Transparenz, unabhängig vom Tätigkeitsfeld und den Eigentumsverhältnissen der Arbeitgeber gäbe.“ Alle sollten also mit offenen Karten spielen – ob Spitzensportler, Künstler oder Medienschaffende. „Damit die sich daran anschließende Gerechtigkeitsdebatte auch umfassend geführt werden kann“, so Röthig. Dabei sollte es dann auch über die Ursachen von erheblichen Über- aber auch Unterschreitungen vom Branchendurchschnitt gehen. Denn bei „staatlichen“ Unternehmen gebe es zum Teil erhebliche Unterschreitungen des üblichen Verdienstes, so der Stadtwerkechef. Bei alldem sehe er allerdings die Gefahr für eine Neiddebatte. Die anderen von der SZ befragten Chefs, Roland Ledwa, Kathleen Kießling, Reiner Striegler und Heike Eulenfeld, haben sich der Meinung von René Röthig einhellig angeschlossen.

Studienautor Papenfuß versteht den Wunsch der Geschäftsführer, auch andere Gehälter offenzulegen, aber: „Bei der Transparenz müssen wir irgendwo anfangen und uns nicht den Ball hin und herschieben“, sagt der studierte Betriebswirt und Professor für Public Management. Die Chefs städtischer Firmen sollten aus seiner Sicht mit gutem Beispiel vorangehen.

Letztlich entscheiden die Geschäftsführer über die Offenlegung ihrer Gehälter selbst. Auch ein Stadtratsbeschluss könnte das zunächst nicht ändern. „Es würde dann aber schon sehr viel dazugehören, wenn ein Geschäftsführer sich über den erklärten Willen des politisch legitimierten Organs hinwegsetzt“, erklärt Professor Papenfuß. Zudem sollte beschlossen werden, dass die Geschäftsführer der Offenlegung auch in allen neuen Anstellungsverträgen zustimmen müssen. „Dies wird so auch schon in sehr vielen Städten praktiziert.“

Parallel zur Veröffentlichung der Transparenzstudie hat die Riesaer Stadtratsfraktion der Linken einen Beschlussantrag ausgeheckt, den sie schnellstmöglich öffentlich diskutieren will. Die Fraktionsvorsitzende Uta Knebel möchte per Stadtratsbeschluss Informationen über den Verdienst in den städtischen Tochterunternehmen bekommen. Außerdem verlangt Knebel Details über Vergünstigungen, etwa über Dienstfahrzeuge oder Boni.

Auch Stefan Schwager, Chef der Fraktion Freie Wähler/Bürgerbewegung, fordert mehr Durchblick: „Es geht hier um Steuergelder. Da kann ein Mindestmaß an Transparenz verlangt werden. Aber in Riesa tappt man da völlig im Dunkeln.“ Das sei nicht mehr zeitgemäß. „Zumal einige Personen hier mehrere Posten gleichzeitig bekleiden, fragen sich natürlich auch die Bürger, wie die Vergütung geregelt wird. Zumindest wir als Mandatsträger sollten einen Einblick bekommen.“

Auch die CDU im Stadtrat öffnet sich in Richtung Transparenz. So sagt Steffen Krechlak, stellvertretender Fraktionschef: „Gehälter sind ein sensibles Thema. Da will sich niemand gern in die Karten gucken lassen, aber eine Orientierung sollte man bei den Geschäftsführern der Stadttöchter schon haben. Letztlich weiß man bei den Mitarbeitern im Rathaus, die nach dem Tarif des öffentlichen Dienstes bezahlt werden, ja auch, wie viel Geld sie verdienen.“

Wird Riesa also schon beim nächsten Vergütungstransparenz-Ranking Spitzenreiter? Darüber dürfte es nach der Sommerpause eine hitzige Diskussion geben.