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Maulhelden oder Attentäter?

Der Dresdner Hauptbahnhof und die Pegida-Demonstrationen könnten Ziele für Anschläge sein. Nun wird geprüft, wie konkret die Hinweise sind. Für Experten kommt das nicht überraschend.

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© dpa

Berlin. Die deutschen Sicherheitsbehörden gehen den Hinweisen auf mögliche Anschlagziele islamistischer Terroristen in Deutschland mit Hochdruck nach. Die von ausländischen Nachrichtendiensten an deutsche Behörden weitergeleiteten Meldungen, in denen die Hauptbahnhöfe in Berlin und Dresden als mögliche Ziele genannt werden, sind noch nicht verifiziert. Es gebe auch keine konkreten Hinweise auf Zeit oder Ort eines geplanten Anschlags. Das teilte am Samstagvormittag die dpa mit. Die Nachrichtenagentur beruft sich auf Sicherheitskreise. Demnach würden die Informationen derzeit auf Glaubwürdigkeit und Gehalt geprüft.

Die Kreise hätten im Grundsatz die Hinweise von Partnerdiensten bestätigt. „Der Spiegel“ hatte am Freitag zuerst darüber berichtet. Das Nachrichtenmagazin meldete, dass ausländische Geheimdienste auch Kommunikationsinhalte namentlich bekannter internationaler Dschihadisten abgefangen hätten. Darin seien auch mögliche Anschläge auf die wöchentlichen Aufmärsche der anti-islamischen Pegida-Bewegung diskutiert worden.

Nach Einschätzung des Bundeskriminalamtes könnte Pegida tatsächlich ein mögliches Anschlagziel gewaltbereiter Islamisten sein. So steht es laut „Der Spiegel“ in einer internen Information des BKA an andere deutsche Sicherheitsbehörden. Gewaltaktionen könnten sich demnach nicht nur direkt gegen die Veranstaltungen oder deren Initiatoren richten, sondern auch auf öffentliche Gebäude wie Bahnhöfe gezielt sein.

Schwierige Situation für Analytiker

Für die Analytiker in den Sicherheitsbehörden gehören solche Einschätzungen zu den schwierigsten Aufgaben. Oft geht es um die Frage: Stammen die Informationen von Maulhelden, die sich beispielsweise in abgehörten Telefonaten oder in verschlüsselten Internet-Chatrooms wichtig tun wollen?

Und was möchten die den Geheimdiensten namentlich bekannten internationalen Dschihadisten erreichen, wenn sie offen oder einigermaßen konspirativ über mögliche Anschläge auf Demonstrationen der islamfeindlichen Pegida-Bewegung diskutieren? Diese Leute wissen in der Regel, dass sie im Visier der Sicherheitsbehörden sind. Geht es ihnen also womöglich um gezielt geschürte Panik - oder doch um ernst gemeinte ganz konkrete Pläne?

Werden die Hinweise befreundeter Dienste - wie im aktuellen Fall - einigermaßen ernst genommen, haben die Experten mehrere Möglichkeiten, sie zu überprüfen. Das reicht vom Abgleich mit der eigenen Lagebewertung über direkte Nachfragen bei den ausländischen Partnern und zusätzlichen Abhöraktionen bis hin zum Einsatz von Agenten, die weitere Erkenntnisse sammeln sollen. Einfach nur abtun könne man derlei Informationen nie, wird in den Kreisen betont. Zu groß ist in den Sicherheitsbehörden die Sorge, den entscheidenden Hinweis auf ein bevorstehendes Attentat nicht erkannt zu haben.

Beispielsweise im November 2010 wurden Warnungen vor islamistischen Terroranschlägen als derart konkret eingeschätzt worden, dass die Kuppel des Reichstagsgebäudes in Berlin gesperrt wurde. Damals sah eines der Szenarien, das den Sicherheitsbehörden bekannt geworden war, einen Sturmangriff auf den Sitz des Bundestags vor.

BKA spricht von „typischem Phänomen“

Das Bundesinnenministerium erklärte am Freitagabend auf SZ-Anfrage, man nehme zu „Einzelsachverhalten“ keine Stellung. Die Sicherheitsbehörden erreiche derzeit „eine Vielzahl von Hinweisen aus unterschiedlichen Richtungen“. Ein solch erhöhtes Aufkommen sei nach Anschlägen wie in Paris „ein typisches Phänomen“. Man müsse alle Hinweise genau anschauen. Innenminister Thomas de Maizière sagte, „die deutschen Sicherheitsbehörden unternehmen alles, um die Bevölkerung wirksam zu schützen“. Die Lage sei ernst, es bestehe „Grund zur Sorge und Vorsorge, jedoch nicht zu Panik und Alarmismus“.

Nach SZ-Informationen gibt es tatsächlich Hinweise, die sich auf Dresden und Berlin beziehen. In der islamistischen Szene wird sehr intensiv kommuniziert. Bisher ist aber unklar, wie ernst Informationen, die sich auf konkrete Orte beziehen, zu nehmen sind.

Das Innenministerium teilte mit, soweit sich aus einzelnen Informationen der Bedarf zum Handeln ergebe, würden unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen ergriffen. Die Bundespolizeidirektion Pirna teilte auf SZ-Anfrage mit, ihr lägen keine eigenen Erkenntnisse über eine mögliche Gefährdung des Dresdner Hauptbahnhofs vor. Es gebe dort aktuell auch keinen besonderen Einsatz, hieß es am Freitagabend.

Verstärktes Vorgehen gegen Islamisten

Die deutschen Sicherheitsbehörden gehen verstärkt gegen gewaltbereite Islamisten vor. Bei einem Großeinsatz in Berlin nahm die Polizei am Freitag zwei Terrorverdächtige fest, die schwere Gewalttaten in Syrien vorbereitet haben sollen. Für Anschlagspläne in Deutschland gebe es keine Anhaltspunkte, sagte ein Polizeisprecher. De Maizière hatte nach den Anschlägen von Paris vor der Gefahr möglicher Nachahmungs- oder Rachetaten von gewaltbereiten Fundamentalisten gewarnt. (szo/dpa)