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Gegen den Verpackungswahn

„Plastik-Fasten“ ist zum neuen Trend geworden. Klappt der Kunststoff-Verzicht auch in der Kleinstadt? Ein Test in Radebeul.

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© Matthias Schumann

Von Nina Schirmer

Radebeul. Ein bisschen verdutzt guckt die Verkäuferin hinter der Theke in der Radebeuler Fleischerei Schempp im ersten Moment schon. Aber doch, grundsätzlich sei es möglich, dass man seine Wurst in einer eigenen Dose mit nach Hause nimmt, sagt sie. Auf eine kleine Folie müsse sie die Ware aber legen. Das sei aus hygienischen Gründen Vorschrift. Oder sie könnte die Wurst auch in eine Papiertüte stecken. Für Leute, die auf Plastik verzichten wollen.

Noch bis Ostern ist Fastenzeit. Die einen versuchen, den Alkohol wegzulassen. Andere wollen beim Essen ohne Fleisch auskommen oder den Süßigkeiten entsagen. Oft geht es dabei gar nicht mehr um ein religiöses Motiv. Fasten ist zu einer hippen Herausforderung geworden, um die eigenen Disziplin zu testen.

Nicht nur einen starken Willen, sondern auch Kreativität braucht es bei einem neuen Fasten-Trend, der seit ein paar Jahren die Runde macht: Plastik-Fasten. Es geht darum, auf Kunststoff beim Einkaufen zu verzichten. Nicht mehr mitmachen beim Verpackungswahn, lautet die Devise. In Großstädten, auch in Dresden, gibt es inzwischen Läden, in denen man Nahrungsmittel lose einkaufen kann. Müsli, Nudeln und Co. werden in selbstmitgebrachte Dosen abgefüllt. Aber klappt das Plastik-Fasten auch in einer Kleinstadt wie Radebeul? Die SZ hat den Test gemacht.

Frische Wurst und Fleisch unverpackt sind schon mal kein Problem, so lange man eine Dose dabei hat. Obst und Gemüse bekommt man auch ganz leicht ohne Plastik, sogar in den Discountern. Einfach die kleinen durchsichtigen Beutel weglassen und die Früchte lose in den Wagen legen.

Darüber hinaus wird es in den Radebeuler Supermärkten schon schwierig, ja eigentlich unmöglich, nicht in die Kunststofffalle zu tappen. Plastik ist überall. Schokolade, Spülmittel, Knackwurst, Frischkäse – alles von Plaste umhüllt.

Anja Steinbrecher, die Inhaberin des Naturkostladens Pro Natura in Altkötzschenbroda erlebt es öfter, dass ihre Kunden Lebensmittel unverpackt mitnehmen möchten. Viele bringen Stoffbeutel mit. Doch auch im Bio-Geschäft sind fast alle Produkte eingeschweißt. Vom Müsli über Kosmetik sogar bis zum Gemüse. Dass selbst Paprika und Salat in Folie verpackt sind, findet die Verkäuferin auch nicht toll. „Aber das liefern die Hersteller so“, sagt Anja Steinbach. Privat versucht die Ladeninhaberin, auf Plastik zu verzichten. Es gibt zum Beispiel Gläser, in denen man Lebensmittel einfrieren kann, berichtet sie. Und noch ein Produkt kann sie empfehlen: Zahnkreide im Glas anstelle von Zahnpasta in der Tube. Dazu eine Bambuszahnbürste. In ihrem Geschäft bietet sie Haarbürsten aus Holz und unverpackte Seife an.

Im Reformhaus Görner an der Meißner Straße kann man sich losen Tee in eine mitgebrachte Box abfüllen lassen. Ansonsten gibt es aber kein Regal mit losen Lebensmitteln. Dafür bräuchte man mehr Platz und auch die Hygienevorschriften seien strenger, sagt Geschäftsführerin Sabine Görner. Letztendlich sei die Nachfrage in Radebeul wahrscheinlich auch nicht groß genug, vermutet sie.

In ihrem Sortiment gibt es trotzdem ein paar plastikfreie Produkte. Zum Beispiel von der Kosmetikfirma Martina Gebhard, die Cremes und Lotions in Porzellantiegeln produziert. Oder Waschnüsse in einem Jutebeutel. Die Frucht des Waschnussbaumes wird schon seit Jahrhunderten in Asien zur Reinigung von Kleidern und auch zum Haarewaschen verwendet.

Die allermeisten Dinge des alltäglichen Lebens sind plastikverpackt. Das ist auch im Biosupermarkt von Vorwerk Podemus nicht anders. Wer will, kann dort aber auch vieles im Glas mitnehmen. Milch und Frischkäse zum Beispiel. An der Theke füllen die Verkäufer auch frischen Joghurt in selbstmitgebrachte Gefäße ab.

Bei Süßigkeiten wird es richtig schwierig. Schokolade und Gummibärchen gibt es nicht unverpackt. Die Alternative: Pralinen und Gebäck beim Bäcker mitnehmen. In der eigenen Dose natürlich. Bei Getränken ist die Aufgabe dafür einfach. Saft, Wasser, Limo und Alkohol sowieso gibt es in der Glasflasche.

Fazit: Auf Plastik zu verzichten, ist anstrengend, aber geht. Man muss jedoch mehr Zeit für den Einkauf einplanen. Und auch mehr Geld. Wer das Plastikfasten wirklich durchzieht, müsste in Radebeul allerdings auf einige wichtige Produkte verzichten. Die SZ hat beispielsweise nirgendwo in der Stadt Toilettenpapier ohne Verpackung gefunden. Mit Deo wird es auch schwierig. Putzmittel ohne Plastikverpackung sind nicht zu haben. Und krank sollte man auch nicht werden. Denn Tabletten ohne Plastikhülle gibt es nicht.