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Gegen den Honig im Kopf

Angehörige von Alzheimer- und Demenzpatienten treffen sich jetzt auch in Kamenz. Das hilft ihnen, aufzutanken.

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© René Plaul

Von Ina Förster

Kamenz. Einfach mal reden. Spüren, dass da einer zuhört. Und andersherum vielleicht etwas abgeben können von der eigenen Kraft. Angehörige von Alzheimer - und Demenzpatienten brauchen das. Und finden es aber oft nur selten. Wenn die Krankheit kommt, dann muss man sich erst einmal ordnen. Was bedeutet das für jeden Einzelnen? Wie soll man mit den Eltern, aber auch manchmal mit dem Partner umgehen? Was kommt noch an von der Liebe, die man geben möchte? Was bleibt vom bisherigen Leben? Ganz praktische Dinge der Pflege rücken zuerst in den Vordergrund. Die Seele bleibt auf der Strecke.

Schleichender Prozess

Astrid Kleefeldt ist Ergotherapeutin und arbeitet in einem Pflegeheim. Seit 16 Jahren hat sie vor allem mit diesem Thema zu tun. Sie begegnet täglich Familien, die einfach nicht mehr weiter wissen. „Die Diagnose Demenz oder Alzheimer kommt ja meistens nicht sofort. Es ist ein schleichender Prozess. Bis einem ein Arzt sagt, was los ist mit dem Angehörigen, vergeht oft Zeit. Bis dahin haben viele bereits einen langen Leidensweg hinter sich“, weiß sie. Zwar folgt meistens so etwas wie Erleichterung, wenn „das Kind endlich einen Namen bekommt“. Doch die Ausweglosigkeit, die Erkenntnis, dass es keine Heilung gibt, ist hart für viele. „Das kann auch schnell zu Überforderung führen. Vor allem, weil das eigene Leben mit Beruf, Verpflichtungen und Familie ja weiter läuft. Die 36-Jährige hat aus der Erfahrung ihres Berufes heraus schnell gemerkt, dass vor allem reden helfen kann. „Wer allein bleibt mit seinen negativen Gedanken, dem geht es schnell nicht gut. Ärzte können Medikamente verschreiben. Die Pflegeeinrichtungen tun das Ihrige, dass es den Patienten in ihrer Lage besser geht. Doch wo bleibt der Angehörige“, fragt die Kamenzerin.

Aus diesem Grund setzt sich Astrid Kleefeldt seit einiger Zeit für die Gründung einer regionalen Selbsthilfegruppe ein. Die gab es in Kamenz bislang nicht. In Bischofswerda wäre der nächste Anlaufpunkt. Angeregt durch die Ergotherapie Schiewack in der Lessingstadt, welche sich seit dem Sommer ebenfalls mit dem Thema in der Stadt beschäftigte, geht sie die Sache nun intensiver an. „Ich war gerade in der Elternzeit, hatte Muße, mich um solche Dinge zu kümmern. Nach einer Lesung im Juni wusste ich: Hier möchte ich gern etwas mehr tun“, erinnert sie sich. Ergotherapeut Michael Schiewack gab das Rüstzeug dafür mit. Astrid Kleefeldt übernahm.

Etwas professionelle Hilfe war nötig

Seitdem arbeitet man mit der Alzheimer-Gesellschaft Radebeul-Meißner Land zusammen. Etwas professionelle Hilfe war nötig. Diese gibt fachliche Anleitung und trägt beispielsweise auch die Miete der Selbsthilfegruppe. Denn man muss sich ja irgendwo neutral treffen. „Im Bürgertreff an der Weststraße in Kamenz haben wir unser neues Zuhause gefunden. An jedem ersten Donnerstag im Monat treffen wir uns hier“, so Astrid Kleefeldt. Noch sind es nicht viele Mitmacher, die den Weg herfinden. Doch der kleine Stamm ist optimistisch. Da der Bürgertreff kürzlich vom Markt an die Weststraße zog, waren andere organisatorische Dinge wichtig. „Nun freuen wir uns aber, wenn die Gruppe nach und nach wächst.“

Astrid Kleefeldt selber möchte nicht als Akteurin, als vielmehr als Vermittlerin agieren. Die Angehörigen zusammenführen. Es geht darum, Gespräche zu führen – über Dinge, die man vom Arzt nicht erklärt bekommt. Über Gefühle und Ängste. Über Wut aufs Leben und das Unverständnis anderer für die schwere Situation. Freilich wird es auch Vorträge und Beratungen geben, wenn gewünscht. Doch das Miteinander steht im Vordergrund. „Diese Krankheit ist wie ein Film, in dem die Angehörigen täglich mitspielen müssen. Sie wissen nur morgens noch nicht, welcher laufen wird“, so die Ergotherapeutin. Sich darauf einzustellen mit aller Konsequenz und die Liebe am Leben nicht zu verlieren – das wird ein Ziel der Selbsthilfegruppe sein.

Der Angehörigentreff „Leben mit Demenz“ findet jeden 1. Donnerstag im Monat statt, ab 17 Uhr, an der Weststraße 17 in Kamenz. Einfach hinkommen!