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Gegen alle Widerstände

Pascal Testroet kommt aus Bielefeld zu Dynamo. Dabei wollte der Stürmer eigentlich in die Bundesliga.

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© SG Dynamo Dresden

In Dresden blieb für ihn nicht einmal ein Platz auf der Ersatzbank. Der Trainer hatte ihn aus dem Kader gestrichen, als er von seinen Wechselabsichten erfuhr. Also kam Pascal Testroet nicht am Sonnabend mit Arminia Bielefeld, sondern erst am Montag allein an die Elbe, um alles klarzumachen mit seinem neuen Verein. Gestern meldeten erst Dynamo per Pressemitteilung und dann der 24-Jährige via Facebook den perfekten Wechsel: Testroet spielt ab der nächsten Saison für die Schwarz-Gelben, sein Vertrag bis 30. Juni 2018 gilt sowohl für die zweite als auch die dritte Liga.

Bei einem Blick in seine Vita besteht die Gefahr, den Offensivspieler als Verstärkung einzustufen, bevor er da ist: acht Jahre Nachwuchsschule bei Schalke 04, mit 17 zu Werder Bremen, Torschützenkönig der Junioren-Bundesliga, Spiele für die deutsche U18- und U20-Auswahl. Doch beim genauen Hinsehen wird deutlich, dass seine Karriere bisher keinesfalls geradlinig verlief. In älteren Zeitungsberichten ist von seinem außergewöhnlichen Torinstinkt die Rede, von seiner Beweglichkeit im Strafraum. Aber auch von Warnschüssen, weil er es schleifen ließ.

„Es hängt bei mir viel von der Laune ab: Es geht schnell nach oben oder nach unten“, räumte Testroet selber ein. Inzwischen ist er dem Alter des jugendlichen Draufgängers entwachsen und um einige Erfahrungen reicher. Nachdem er sein Ziel, die Bundesliga, bei Werder nicht erreichen konnte, ging es für ihn zunächst zwei Klassen tiefer zu den Offenbacher Kickers, 2013 aber mit Bielefeld schon wieder eine Liga höher. Nach dem erneuten Aufstieg will er die Ostwestfalen Ende Mai verlassen.

Er wolle endlich wieder Fußball spielen, begründet er den Abschied. Bei seinen 16 Einsätzen in dieser Saison hat der Offensivspieler nur einmal in der Startelf gestanden – drei Treffer und zwei Vorlagen schaffte er trotzdem –, an den Pokalsensationen war er nur mit einer Alibi-Einwechslung in der ersten Runde beteiligt. Als die Arminia im Winter mit dem Niederländer Koen van der Biezen vom Karlsruher SC einen weiteren Stürmer verpflichtete, wäre Testroet am liebsten gleich abgehauen.

Der VfL Osnabrück, für den er 2013/14 zehnmal getroffen hatte, wollte ihn erneut ausleihen, und Dynamo hätte ihn gern verpflichtet. Damals waren die Dresdner jedoch noch ein ernsthafter Konkurrent im Aufstiegskampf. „Aufgrund der Konstellation hat Arminia sofort einen Riegel vorgeschoben“, sagt Ralf Minge. Der Sportvorstand blieb dran. „Wir waren nicht allein im Ring.“ Offenbar hatte er die besten Argumente. „Dynamo Dresden ist ein großer Traditionsverein mit toller Perspektive, und ich möchte ein wichtiger Teil davon werden“, fasst Testroet die Gründe auf seiner Facebook-Seite zusammen: „Ich freue mich sehr auf die neue Aufgabe!“

Er zeigt sich im Internet gern auch privat, postet Urlaubsfotos oder Selfies aus dem Mannschaftsbus. Der Sohn eines Unternehmer-Ehepaares aus dem nordrhein-westfälischen Bocholt bezeichnet sich als ausgesprochenen Familienmenschen. Und in der Dynamo-Mitteilung lässt Testroet ausrichten, dass er nur kurz Paco genannt werden möchte und sich mit seiner Verlobten Michelle in den nächsten Wochen eine Wohnung in Dresden suchen werde, „damit ich zum Trainingsauftakt schon richtig in der Stadt angekommen bin und mich von Anfang an voll auf das Wesentliche konzentrieren kann“.

156 Spiele, 39 Tore

Das klingt nach einem guten Plan. Den hatte Testroet schon 2011, als er auf dfb.de mit dem Anspruch zitiert wurde: „Bis 25 will ich mich im Oberhaus etabliert haben.“ Im September wird er 25. Er passt also zur Dynamo-Strategie, Spieler zu holen, die ihr Potenzial schon nachgewiesen, den entscheidenden Entwicklungsschritt aber noch vor sich haben. Trotzdem sollte Testroet weiter sein als die meisten Neuzugänge des Vorjahres. Mit 156 Spielen und 39 Toren bringt er Drittliga-Erfahrung mit.

Beweglich, variabel einsetzbar, laufstark, robust, technisch gut ausgebildet, leidenschaftliche Spielweise – die Eigenschaften, die Minge der Neuverpflichtung zuschreibt, kann Dynamo gut gebrauchen. Das sieht sicher der künftige Cheftrainer Uwe Neuhaus genauso. Zudem ist Testroet beidfüßig stark und hat Nehmerqualitäten nachgewiesen. Im Hinspiel erlitt er nach einem Zusammenstoß mit Michael Hefele einen Nasenbeinbruch, ließ das Blut mit Wattebäuschchen stillen, spielte weiter.

Das passt zu dem, was sein früherer Stützpunkttrainer mal über Testroet sagte: „Für ihn war es normal, sich gegen alle Widerstände durchzusetzen“, meinte Herbert Hrubesch, Bruder von Horst Hrubesch. Der war 1994/95 für fünf Spiele in der Bundesliga auch mal bei Dynamo Trainer – bis Minge als Interimscoach die verkorkste Saison vernünftig zu Ende brachte. 20 Jahre später ist er Sportchef und versucht, den x-ten Neustart vorzubereiten.

Testroet könnte dabei helfen, wenn er dem Anspruch „unser Offensivspiel schwerer ausrechenbar“ zu machen gerecht wird. Minge setzt darauf, dass der Zugang wegen der Konkurrenz zu Top-Torjäger Fabian Klos in Bielefeld nur „ein bisschen unter Wert“ geblieben ist. „Wir versprechen uns, dass er in Dresden noch mal draufpackt.“ Erst dann wäre er tatsächlich eine Verstärkung.