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Gefallene sind nicht vergessen

An die Opfer von Kriegen erinnern Steintafeln in Kirchen. In Jänkendorf liegt der Gedenkort außerhalb des Gotteshauses.

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© Jens Trenkler

Von Steffen Gerhardt

Jänkendorf. Eine Gedenkfeier zum Volkstrauertag wird es in der Rothenburger Stadtkirche nicht geben. Das sagt Pfarrer Daniel Schmidt. Dennoch sind die in Kriegen gefallenen Soldaten auch in Rothenburg allgegenwärtig. In Stein gemeißelt auf Tafeln vor der Kirche. „Eine Tafel wurde in den vergangenen Jahren restauriert. Warum es nur bei der einen blieb, darüber habe ich keine Kenntnis“, sagt der Pfarrer zum Zustand der mit Dachsteinen gedeckten Wand aus Sandstein. Eine weitere Restauration steht nicht ins Haus, obwohl die Buchstaben und Zahlen sehr verwittert sind. „Wir müssen uns jetzt um andere Baustellen kümmern, unter anderem um die Gruft“, sagt Schmidt auch mit Blick auf die Finanzen der Kirchgemeinde.

Was in Rothenburg auffällt, ist, dass nur die Gefallenen des 1. Weltkrieges auf einem Denkmal an der Kirche verewigt sind. Für die Opfer des 2. Weltkrieges gibt es einen Ehrenhain gegenüber dem Friedhof sowie in Gedenken an die 2. Polnische Armee das Denkmal mit dem Panzer in Richtung Nieder Neundorf.

Dass die Kriegsopfer der 1930er und 40er Jahre in den Kirchen nicht so präsent sind, dafür hat Pfarrer Andreas Fünfstück eine plausible Erklärung: Zu DDR-Zeiten war es nicht erwünscht beziehungsweise verpönt, deutschen Soldaten zu gedenken. Erst nach der politischen Wende rückten die deutschen Opfer mehr in das Interesse der Öffentlichkeit. Das Thema war nicht mehr tabu. Die Motivation war und ist die eigene Betroffenheit. In Nieder Seifersdorf engagierte sich aus diesem Grund Helmut Lehmann bis zu seinem Tod dafür, dass auch den gefallenen deutschen Soldaten des 2. Weltkrieges gedacht wurde. Denn über 40 Jahre standen nur die gefallenen Sowjetsoldaten und die mit ihnen verbündeten Armeen auf der Liste der zu Gedenkenden.

Im Pfarrsprengel Waldhufen-Vierkirchen, das die Kirchgemeinden zwischen Buchholz und Jänkendorf umfasst, befinden sich die Orte des Gedenkens meist außerhalb kirchlicher Einfriedungen. In Buchholz ist es ein Gedenkstein und in Tetta steht ein Obelisk, der nach der Wende mit den auf Steintafeln verewigten Gefallenen des 2. Weltkrieges ergänzt wurde. In Jänkendorf ist ein Gedenkort mit vier Stelen am Gemeindeamt geschaffen worden, der an die Opfer beider Weltkriege erinnert. Dort wird man am Sonntag der Toten gedenken, sagt Pfarrer Helmut-Andreas Spengler. „In Jänkendorf ist es seit vielen Jahren üblich, nach dem Gottesdienst, der in diesem Jahr am Morgen im Kultursaal Jänkendorf stattfindet, einen Kranz am Denkmal für die Gefallen niederzulegen.“

Diesen Sonntag kommt noch eine Besonderheit dazu: Die Gesellschaft der Freunde Lions Lausitzer Neiße hat der Kirchengemeinde Jänkendorf/Ullersdorf eine Spende in Höhe von 720 Euro zukommen lassen, um eine Glockenfernsteuerung zu kaufen. „Diese ermöglicht, bei Gottesdiensten und Veranstaltungen außerhalb der Kirche, wie zum Beispiel die Kranzniederlegung, die Glocken mittels Fernsteuerung zu betätigen“, erläutert der Pfarrer. Am Sonntag wird der Kirchengemeinde symbolisch diese Spende vom Lionsclub überreicht und die Fernsteuerung während der Kranzniederlegung offiziell in Betrieb genommen. Dann läutet es auf Knopfdruck.

Diese Kranzniederlegung ist die einzige Veranstaltung, die im Pfarrsprengel Waldhufen-Vierkirchen zum Volkstrauertag stattfindet. Pfarren Fünfstück begründet das damit, dass der Volkstrauertag hier in der Region nicht so eine große Tradition hat. „Am Ewigkeitssonntag die Woche darauf ist mehr los, dann sind auch die Gottesdienste sehr gut besucht“, ist die Erfahrung nicht nur von Andreas Fünfstück. Denn am Totensonntag wird in erster Linie der Angehörigen gedacht, da ist die Betroffenheit in den Familien weitaus größer als jetzt am Sonntag.

Die Geschichte des Volkstrauertages reicht bis ins Jahr 1919 zurück. In jenem Jahr schlug der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge diesen Tag als Gedenktag für die gefallenen deutschen Soldaten des 1. Weltkrieges vor. Im deutschen Reichstag fand 1922 die erste Gedenkstunde statt. Vier Jahre später entschied die Reichsregierung, den Volkstrauertag regelmäßig am fünften Sonntag vor Ostern zu begehen. Also Ende Februar, Anfang März. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde dieser Erinnerungstag an das Leid des Krieges in einen „Heldengedenktag“ propagandistisch umgemünzt.

Die zahlreichen Kriegstoten und Vermisstenschicksale des 2. Weltkrieges führten im Westteil Deutschlands auf eine Rückbesinnung des Volkstrauertages, der aber auf das Ende des Kirchenjahres gelegt wurde. Auch in Abgrenzung an den „Heldengedenktag“. In der DDR wurde fortan am zweiten Septembersonntag der „Internationaler Gedenktag für die Opfer des faschistischen Terrors und Kampftag gegen Faschismus und imperialistischen Krieg“ begangen. Aus dieser unterschiedlichen historischen Entwicklung heraus ist verständlich, dass der Volkstrauertag auch fast drei Jahrzehnte nach der Wende nicht die Tradition hat wie in den alten Bundesländern.