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Gefahr vom Kirchturmdach

Die Striesener Herz-Jesu-Kirche sollte eigentlich nur ein neues Kreuz bekommen. Jetzt geht es um viel mehr.

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© René Meinig

Von Kay Haufe

Dieses Gerüst ist ein Kunstwerk. Bis auf 70 Meter Höhe umschließt es den Turm der katholischen Herz-Jesu-Kirche an der Borsbergstraße. „Und es ist wohl eines der teuersten in ganz Dresden“, sagt Christian Urbanczyk. Allein dafür muss die Gemeinde über 200 000 Euro berappen. Doch sie sind nötig, denn vom Turm lösen sich Kupferplatten. „Es besteht akute Unfallgefahr. Jedem Kirchenbesucher könnte ein Stück Kupferblech auf den Kopf fallen“, sagt Urbanczyk. Der 73-Jährige weiß, wovon er spricht. Viele Jahre war er als Oberbauleiter tätig. Für seine Gemeinde hat er die Aufgabe nun auch übernommen.

Im August wird auch das Kreuz aufgesetzt.
Im August wird auch das Kreuz aufgesetzt. © René Meinig

Bis vor wenigen Monaten war keinem bewusst, welche Gefahr vom Turm ausgeht. Immerhin war das Dach erst Ende der 1960er-Jahre erneuert worden. „Das Kupfer haben wir damals über die Handelsorganisation Genex aus dem Westen bekommen, so rar war das Baumaterial in der DDR“, erinnert sich Urbanczyk. Dass jetzt schon wieder Hand angelegt werden muss, kam durch einen Zufall ans Tageslicht. „Unsere Gemeinde wollte schon seit einiger Zeit wieder ein Turmkreuz anbringen. Dieses war bei der Sanierung abgenommen und aus unbekannten Gründen nie wieder aufgesetzt worden“, sagt der Bauleiter. Mit einem Architekten und einem Statiker ist er deshalb im August des Vorjahres per Autokran zur Turmspitze gefahren. „Wir wollten nachsehen, ob es im Turm den sogenannten Kaiserstiel gibt, an dem das Kreuz befestigt wird. Dabei fiel uns auf, wie schadhaft das Dach ist. An drei Seiten war es besonders schlecht.“

Zunächst bekamen die drei Gewissheit, dass sie das Kreuz problemlos befestigen können. Doch klar war auch, dass erst mal das Dach repariert werden muss. Am 2. Mai begannen die Arbeiten dafür. „Schon der Gerüstaufbau war Feinarbeit. Und oben ist ebenfalls detailgenaues Arbeiten nötig“, sagt Urbanczyk. Damit das gut abgestimmt wird, ist er mehrere Stunden pro Woche auf der Baustelle, hat auch die komplette Ausschreibung und Auswahl der Firmen übernommen. Die Kirchgemeinde spart dank seines Ehrenamtes mehrere Zehntausende Euro an Honorarkosten. „Man sollte das tun, was man gut kann. In dem Fall bin ich hier der richtige Mann“, sagt Christian Urbanczyk. Nicht ohne Stolz verweist der 73-Jährige darauf, dass sie noch keinen Tag Verzug haben. „Und wir haben gute Handwerker. Derzeit erneuern Zimmerleute den Dachstuhl. Am Freitag ist die Unterkonstruktion für das Kreuz gesetzt worden, damit es aufgesetzt werden kann.“

3,70 Meter hoch ist das neue Turmkreuz, das dem Original anhand von Fotos in einer Zittauer Kessel- und Kupferschmiede nachgearbeitet wurde. Es besteht innen aus Edelstahl, der mit Kupfer ummantelt und anschließend vergoldet wurde. „Im Vergleich zu den anderen Arbeiten ist das Kreuz billig“, sagt Urbanczyk. Mit den zwei Kranfahrten kosten Herstellung und Aufsetzen 16 200 Euro. Insgesamt gibt die Kirchgemeinde rund 450 000 Euro für die Turmsanierung aus. Da die Kirche unter Denkmalschutz steht, beteiligen sich Stadt und Land mit Fördermitteln.

Nachdem das Kreuz am 19. August ab 5 Uhr morgens aufgesetzt wird, soll es zwei Tage später ein großes Gemeindefest geben. Die Arbeiten am Turm sind dann aber noch längst nicht beendet. Bis Oktober, so schätzt Urbanczyk, werden sie sich hinziehen. Bis dahin wird er versuchen, mit den Handwerkern gute Lösungen für anstehende Probleme zu finden. Schon jetzt deutet sich an, dass an der Holzschalung wahrscheinlich gespart werden kann. Dafür schlagen mitunter Materialien teurer zu Buche als geplant. „Aber wir finden da schon einen Weg“, ist sich der ehrenamtliche Bauleiter sicher. Die drei Glocken der Kirche schweigen bis zum Bauende. Ihre Schwingungen würden die Arbeiten im Turm zu sehr behindern. „Anwohner haben schon gefragt, wann sie wieder läuten. Ihnen würde das Zeitgefühl abhandenkommen.“

Der Grundstein für die neogotische Herz-Jesu-Kirche wurde 1903 gelegt, zwei Jahre später wurde sie durch den damaligen katholischen Bischof geweiht. 1909 bekam sie eine Jehmlich-Orgel. Wie durch ein Wunder überstand das Gotteshaus fast unbeschadet die Bombardierung Dresdens 1945, lediglich die Fenster gingen zu Bruch. Diese wurden bis 1955 nach Entwürfen von Bruno Seeger ersetzt.