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Gefahr durch die Mistelplage

Die Baumparasiten scheinen sich in Freital und Umgebung immer mehr auszubreiten. Die Folgen sind unklar.

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© Oberthür

Von Heike Wendt

An jungen Bäumen fallen sie besonders auf. Aus noch blätterlosen Ebereschen leuchten grüne Büsche hervor. Ein großer Teil der Bäume in Burgk ist von Misteln befallen. „Die Verbreitung hat zugenommen“, sagt Stadtsprecherin Inge Nestler. Die Stadt hat Sorge, dass die ungebetenen Untermieter den Bäumen zu schaffen machen.

Sind die immergrünen Kugeln wirklich schädlich für die Bäume? Professor Andreas Roloff vom Institut für Forstbotanik und Forstzoologie an der TU Dresden hat sich in mehreren Projekten mit der Frage beschäftigt. Eine einfache Antwort kann er nicht geben. „Während die Mistel in der Vergangenheit verehrt wurde oder gar heilig war, entsteht in letzter Zeit der Eindruck, dass ihre Schäden an Bäumen zunehmen oder man sie bekämpfen muss“, sagt er.

Dass Bäume vom Mistelbefall eingehen, kann nicht eindeutig nachgewiesen werden. Zwar entzieht eine Laubholz-Mistel beispielsweise einer Pappel etwa neun Kilogramm Mineralien und 100 Kilogram Trockensubstanz in zehn bis 15 Jahren. Aber der Baum ist dadurch nicht zwangsläufig gefährdet. Allerdings haben die Studien auch nachgewiesen, dass sich Misteln auf weniger gesunden Bäumen schneller ausbreiten. Ein starker Mistelbefall kann als Zeichen gewertet werden, dass ein Baum krank ist – und in nicht allzu ferner Zukunft abzusterben droht.

Wie sich Misteln vermehren und auf Bäumen ansiedeln, das ist ein ausgeklügelter Prozess. Der weißbeerige Halbparasit hat alle Vorkehrungen getroffen, damit er nicht ausstirbt. Die helle Farbe schützt die Beeren gegen Frost und vorzeitiges Keimen. Auch der klebrige Schleim im Inneren ist kein Zufall. Er hilft dem Keimling, an einem Ast festzukleben und in die Baumrinde einzudringen. Etwa ein bis zwei Jahre dauert es, ehe die Mistel angewachsen ist. Mindestens weitere vier Jahre vergehen, ehe sie zum ersten Mal blüht. Die Gegenreaktion des Baumes ist sehr unterschiedlich. Gesunde Bäume verändern ihr Gewebe derart, dass der Keimling nur schwer oder gar nicht in die Rinde kommt. Das erklärt, dass nebeneinanderstehende Bäume unterschiedlich stark befallen sind. Von der Laubholzmistel werden Pappeln, Linden, Weiden, Apfelbäume, Mehlbeere, Weißdorn, Robinie, Ahorn und Birke relativ häufig befallen. Besonders gefährdet sind einzeln stehende Bäume, die viel Licht bekommen. Besonders gut für die Mistelverbreitung sind milde Winter, wie der vergangene.

Schneiden oder nicht?

Die Freitaler Stadtverwaltung lässt die Misteln aus den Bäumen schneiden, wie kürzlich bei den Ebereschen in Burgk. „Wir machen das vor allem bei jungen Bäumen, damit sie sich gut entwickeln können“, sagt Inge Nestler. Und im Herbst zur jährlichen Baumpflege.

Ein Ausschneiden ist nicht immer hilfreich, sagt Andreas Roloff. „Schnittmaßnahmen können die Mistel-Etablierung sogar fördern.“ Nicht mehr ganz junge Bäume müssen aber von Misteln befreit werden, wenn sie erhalten bleiben sollen. Der sinkenden Abwehrkraft versetzen sie ansonsten den Todesstoß.

Deswegen sieht auch das Umweltamt des Landkreises die Ausbreitung der Misteln mit Sorge. „Wenn für den Naturschutz wertvolle Bäume wie Obstbäume oder ältere Bäume mit Höhlen oder Totholz stark befallen sind, kann dies ein vorzeitiges Absterben der Bäume nach sich ziehen“, warnt Birgit Hertzog, Abteilungsleiterin Umwelt im Landratsamt. Aus naturschutzfachlicher Sicht sei es wichtig, diese Bäume als Lebensstätten gefährdeter Tierarten zu erhalten – und die Misteln zu entfernen. Ausgefeilte Mistelbekämpfungsstrategien, wie sie in einigen Städten bereits entwickelt wurden, hält Forstprofessor Andreas Roloff aber für unnötig. (mit SZ/sca)