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Gefahr aus dem Netz

Experten warnen Firmen vor Internetkriminalität. Im Landkreis gibt es allerdings wenige Delikte – bis jetzt.

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Von Anja Beutler und Matthias Klaus

Für Frank Hebold ist sein Laptop ein bisschen wie ein Wohnzimmer. Kein Wunder, denn einen Teil seiner Freizeit verbringt der Student aus Dresden mit dem Rechner – als Mitglied im Chaos Computer Club. Der Verein gilt bei vielen als ein Zusammenschluss der „guten Hacker“, die sich für Datensicherheit und Informationsfreiheit einsetzen. Genau um diese Themen ging es jetzt während eines Podiumsgesprächs in Zittau, bei dem Hebold als Experte eingeladen war. Denn das Thema ist nach den Hacker-Angriffen auf einen französischen Fernsehsender, aber auch durch das große neue Ziel einer vernetzten Wirtschaft hoch aktuell. Hebolds Botschaft ist denn auch ganz klar: Sicher ist zunächst niemand. „Wir sind über ein weltweites Datennetz miteinander verbunden und Kriminellen ist es völlig egal, wo sie wohnen“, sagt er auf SZ-Nachfrage und mahnt zur Skepsis: „Viele Leute verlassen sich einfach auf eine bekannte Marke, aber sie fragen gar nicht, ob Qualität dahinter steht.“ Deshalb sei Aufklärung so wichtig.

Wie schnell ein Firmenrechner geknackt sein kann, musste jetzt ein Softwareunternehmen aus Karlsruhe erfahren. Ein 16-jähriger Görlitzer soll dabei einer der Hacker gewesen sein. Von den Servern eines taiwanesischen Spieleentwicklers seien große Teile des Programmcodes eines Onlinespieles heruntergeladen worden, das von der Karlsruher Firma vertrieben wird. Das Unternehmen bemerkte jedoch den Datendiebstahl, informierte die Polizei. Als sie die restlichen Teile des Spiels beschaffen wollten, kamen die Ermittler auf die Spur einer „international agierenden Hackergemeinschaft“, zu der der junge Görlitzer offenbar gehörte. Die Wohnung wurde durchsucht, er räumte ein, an der Tat beteiligt gewesen zu sein. Die digitalen Spuren der Komplizen, so die Ermittler, führen ins Ausland. Gegen den Görlitzer wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der Vorwurf: Ausspähen von Daten und Verstöße gegen das Urheberrechtsgesetz sowie das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Hätte der Hack Erfolg gehabt, wäre wohl der Firma ein Schaden von mehreren 100 000 Euro entstanden.

In diesem Fall hat das Unternehmen den Datenklau bemerkt und entsprechend reagiert. Aber bei vielen Firmen ist der Datenschutz ein Schwachpunkt, sagt Lars Fiehler, Sprecher der Industrie- und Handelskammer Dresden, zu der auch der Görlitzer Standort gehört. „Es geht dabei gar nicht nur um große Firmen, wie beispielsweise Siemens“, schildert Fiehler. Das Thema berühre gerade auch kleinere Unternehmen, den gesamten Mittelstand. Datenklau, der müsse nicht ausschließlich über das Internet von irgendwelchen ominösen Hackern aus Fernost erfolgen. „Derjenige, der entsprechende Interessen hat, kann auch zwei Gewerbegebiete weiter nebenan sitzen“, sagt Fiehler. Viele Betriebe, so die Erfahrung der Industrie- und Handelskammer, gehen zu lasch mit dem Thema um. „Das Installieren von Virenfiltern und Firewalls auf Computern und Servern ist ja nur die eine Seite. Die andere ist die Hardware“, so Lars Fiehler. Wenn ein Computer einen ungeschützten USB-Anschluss hat, sei es ein Leichtes, einen Stick anzuschließen, Daten zu sammeln. „Das fängt bei den Bauplänen für einen Rodelschlitten an und hört bei Hightech auf“, sagt der IHK-Sprecher. Für Unternehmen sei es das Beste, so Lars Fiehler, wenn sie sich von externen Sicherheitsfirmen beraten lassen. „Die analysieren den Stand der Dinge, sagen, was zu tun ist“, schildert er. „Ja, es ist ein gewisser Aufwand, wenn man sich gut auskennen und schützen will“, sagt auch Computerexperte Frank Hebold. Aber auch wenn man Segeln, Klettern oder Autofahren lerne, müsse man investieren. Was man auf keinen Fall tun sollte: aus Scham schweigen, wenn man Opfer von Internetkriminalität geworden ist. „Dann müssen Sie zur Polizei gehen“, mahnt der Student.

Doch ob wirklich alle Opfer von Internetkriminalität dies tatsächlich tun, darf bezweifelt werden. Experten befürchten eine enorme Dunkelziffer und, dass viele Betroffene einen Angriff gar nicht rechtzeitig bemerken. Nach Angaben des Sprechers der Polizeidirektion Görlitz, Thomas Knaup, hat die Polizei in den Kreisen Görlitz und Bautzen im vergangenen Jahr 36 Fälle von Internetkriminalität registriert, zehn davon sind aufgeklärt. Betrachtet man die Zahlen mit aller nötigen Vorsicht, kann man aber generell einen Anstieg verzeichnen: 2012 hatte die Polizei 33 Fälle registriert, in den Jahren davor jeweils zehn und acht Delikte. Einzig das Jahr 2013 tanzt mit 119 Anzeigen aus der Reihe. Woran das liegt, konnte Sprecher Knaup nicht sagen. Generell zeige sich, dass „derartige Fälle in der Kriminalitätslage in Ostsachsen eine untergeordnete Rolle spielen“.

Diese Zahlen sind allerdings für die Unternehmen, die viel mit sensiblen Daten zu tun haben, kein Grund zur Entspannung: Die Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien beispielsweise hat sich über professionelle Dienstleister maßgeschneiderten Schutz einrichten lassen. Zudem sei man bislang noch nicht Opfer von kriminellen Attacken geworden, heißt es.

Für Leute wie Frank Hebold ist Datensicherheit ein Muss. Er will schließlich sehen, wer sein Wohnzimmer betritt: real und virtuell. Auf ein Wort