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Gefährliche Maisernte

In Berthelsdorf ist ein Mann in eine Erntemaschine geraten. Experten warnen vor zu viel Leichtsinn auf den Feldern.

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© Bernd Wüstneck/lmv

Von Anja Beutler

Berthelsdorf. Die Ernte auf dem Berthelsdorfer Maisfeld in Sichtweite des Hutbergs hat ein jähes, tragisches Ende gefunden: Am Dienstagnachmittag, kurz vor 15 Uhr, bemerkt der Fahrer eines Mais-Häckslers, dass er einen Menschen erfasst hat, und stoppt sofort seine Maschine. Ein 65-jähriger Mann ist vom sogenannten Maisgebiss erfasst worden und hat schwere Verletzungen erlitten. Nach SZ-Informationen sind die Unterschenkel in die Maschine geraten. Ein Notarzt wird sofort herbeigerufen und stabilisiert den Mann so weit, dass er mit einem Rettungshubschrauber in eine Spezialklinik geflogen werden kann, schildert die Polizei später.

Am Tag danach sitzt der Schreck noch tief bei der Berthelsdorfer Agrargenossenschaft. „Wir stehen alle unter Schock, vor allem, weil wir den Mann kannten – er hat früher mit uns gearbeitet“, sagt der Vorstand des Betriebes, Joachim Häntsch. Polizei, Gewerbeaufsicht, Berufsgenossenschaft – alle geben sich seither im Betrieb die Klinke in die Hand, um den Vorfall zu untersuchen. Denn wie das geschehen konnte, dazu gibt es derzeit nur Vermutungen. Häntsch selbst kann sich vorstellen, dass der 65-Jährige früheren Kollegen bei der Ernte einen Besuch abstatten wollte. Er sei am Wegesrand gelaufen und dann offenbar querfeldein marschiert, sagt er. Aber wirklich aufklären kann all diese Fragen am Ende nur der Verunglückte selbst.

Seinen Häcksler-Fahrer – mit Mitte 50 ein erfahrener Mann – treffe dabei keine Schuld, ist sich der Genossenschaftsvorstand sicher. Denn, wenn man auf der Maschine sitze, sehe man lediglich die grünen Blätter wackeln und dann schließlich, wie der Mais nach vorn umfällt. „In diesem Jahr sind die Pflanzen sehr hoch gewachsen, rund drei Meter. Da hat man keine Chance, etwas zu sehen“, sagt er.

Warum aber ist der Mann nicht vor der Maschine ausgewichen? Zu hören ist die moderne Technik doch allemal. Und auch Tiere – wie Wildschweine beispielsweise – fliehen ja in den allermeisten Fällen vor den Fahrzeugen noch rechtzeitig und in die richtige Richtung. „Ja, man hört die Technik schon, aber durch den hohen Mais kann man das akustisch nicht so gut lokalisieren“, beschreibt Joachim Häntsch die Situation. Und sehen könne man ja genauso wenig wie der Fahrer. Unterschätzt wird oft auch, dass die neuen Maschinen eine relativ große Reichweite mit ihrem Schneidwerkzeug haben: Etwa sechs Meter – also acht Maisreihen – greift so ein Häcksler mit einem Mal. Das Maisgebiss erfasst die Pflanzen, schneidet sie ab und führt sie zur weiteren Verarbeitung in die Mitte der Maschine. „Dabei fallen sie nach vorn“, beschreibt Häntsch die Arbeitsschritte.

Auch juristisch gesehen ist dem Häcksler-Fahrer nichts vorzuwerfen. „Auf dem Feld haben Menschen während der Ernte definitiv nichts zu suchen“, stellt auch Falk Barta klar. Er arbeitet sowohl für die zuständige Sozialversicherung für Landwirtschaft als auch für den Deutschen Verkehrssicherheitsrat in den Landkreisen Bautzen und Görlitz. Solche Unfälle interessieren ihn berufshalber ohnehin – auch wenn er nur dann tätig werden muss, wenn ein Versicherter zu Schaden gekommen ist. „Solche schweren Unfälle bei der Ernte sind selten, aber es gibt immer wieder welche“, erklärt er. Tatsächlich findet man in den vergangenen Jahren Beispiele: In Magdeburg hat es vor Jahren einen tödlichen Unfall mit einem Mais-Häcksler gegeben. Im Herbst 2015 geriet ein Jäger, der mit Kollegen am Feldrand auf flüchtende Wildschweine wartete, ebenfalls in eine solche Maschine. Und auf einem Rapsfeld bei Grimma ist in diesem Sommer ein Mann nach einem Konzertbesuch nicht ganz nüchtern eingeschlafen und dann von einer Erntemaschine verletzt worden.

Joachim Häntsch mag all diese Szenarien gar nicht hören. „Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was da alles passieren kann“, sagt er. Wie oft komme es vor, dass Kinder Maiskolben aus dem Feld holen oder sich Buden bauen. „Deshalb bitte ich eindringlich, die Felder gerade in der Erntezeit nicht zu betreten“, sagt er. Der tragische Fall in dieser Woche sei schlimm genug, sagt er. Man werde auf alle Fälle versuchen, sich nach dem Gesundheitszustand des Unfallopfers zu erkundigen. Dem Fahrer des Häckslers gehe es den Umständen entsprechend. Joachim Häntsch hatte es ihm freigestellt, ob er gleich wieder zur Arbeit erscheinen will. Soweit er informiert war, habe es der Kollege vorgezogen, wieder mit anzupacken – auch, um sich abzulenken. Auf ein Wort