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Gefährliche Kräuter in Görlitz

Illegale Drogen werden an Schulen kaum bemerkt. Aber auch, was nicht verboten ist, kann tödlich sein. „Legal Highs“ bereiten Sorgen.

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© dpa

Von Frank Seibel

Drogen gehören zum Alltag, sagen Experten. Auch illegale. Auch in Görlitz – und an Schulen. Das ist das Bild, das offizielle Suchtberater zeichnen. Doch wie gegenwärtig sind Cannabis, Crystal und „high“ machende Kräutermischungen unter Schülern in der Stadt tatsächlich?

Ein klares Bild zu bekommen, ist schwierig. Anders als früher, blocken Schulleiter das Thema aber nicht mehr ab. Doch die Leiter der beiden Gymnasien wie auch der Scultetus-Oberschule relativieren den Eindruck der professionellen Szene-Kenner bei Polizei und Drogenberatungsstelle. Allenfalls vereinzelt gebe es Probleme mit Schülern, die im Schulbetrieb unter dem Einfluss von Drogen stehen – legaler wie illegaler.

Ein objektiver Gradmesser sind die festgestellten Straftaten. Diese Zahlen belegen die Aussage von den Einzelfällen. Und sie waren zwischen 2013 und 2015 sogar deutlich rückläufig. An Schulen im Kreis Görlitz wurden 2013 neun, im Jahr darauf elf und im Jahr 2015 gerade einmal vier Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz festgestellt. Ein Haken dabei: Nur wer illegale Drogen erwirbt oder weitergibt, begeht eine Straftat. Das heißt, dass die offiziellen Zahlen, die das Kultusministerium nennt, sich nur auf erwischte „Dealer“ beziehen; unter diesem Verdacht steht auch jeder, der eine etwas größere Menge Rauschmittel bei sich hat, die den persönlichen Tagesbedarf übersteigt.

Konkret bedeutet das: Wenn Schüler außerhalb des Schulgeländes, nur eine Straßenecke weiter, Drogen kaufen oder verkaufen, begehen sie zwar eine Straftat – aber die hat formal mit der Schule nichts zu tun. Und einfach mal Taschen der Schüler kontrollieren? Rechtlich schwierig.

Für Lehrer und Schulleiter bleibt nur, genau zu beobachten, ob Schüler sich in ihrem Verhalten verändern. Friedhelm Neumann, der Direktor des Augustum-Annen-Gymnasiums, berichtet von einem Jugendlichen, dessen Leistungen innerhalb weniger Monate deutlich absackten und der zunehmend unkonzentriert und abwesend wirkte. „In solchen Fällen reagieren Lehrer“, sagen Neumann und sein Amtskollege Wolfgang Mayer vom Joliot-Curie-Gymnasium.

Aber mit solchen Beobachtungen ist die Sache ja längst nicht geklärt. Gerade in den Klassenstufen acht bis elf gebe es viele denkbare Faktoren, die zu Leistungseinbrüchen führen können. Einige lassen sich unter dem Begriff „Pubertät“ zusammenfassen, aber auch familiäre Probleme können eine Rolle spielen. Im konkreten Fall aber stellte sich in Gesprächen heraus, dass der Schüler tatsächlich häufig Drogen zu sich nahm und in der Schule scheiterte – und sie dann auch verlassen hat, sagt Direktor Neumann.

Dass der klassische „Joint“ heute eher seltener geraucht wird als früher, glaubt Wolfgang Mayer vom Joliot-Curie-Gymnasium. Das hat nach seiner Beobachtung mit dem allgemeinen Rauchverbot in öffentlichen Räumen zu tun. Die Zahl der Raucher sei kleiner geworden – und damit womöglich auch die Zahl derer, die dem Tabak noch ein wenig Hanf beimischen.

Den Eindruck des Drogen-Experten Bruno Priehäußer von der Psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle des Landkreises (PsBB), dass viele Schüler dem Leistungsdruck mit der aufputschenden synthetischen Droge Crystal begegnen, können die Görlitzer Schulleiter zumindest nicht bestätigen. Nach Einschätzung des Sozialplaners Matthias Reuter, der im Landratsamt arbeitet, klingt der Crystal-Boom der vergangenen Jahre langsam ab.

Sorgen bereiten allen Experten aber Kräutermischungen, die als „Legal Highs“ bezeichnet werden und zwar erlaubt, aber keineswegs ungefährlich sind. Zum einen fallen Wirkungen und Nebenwirkungen je nach Zutaten und Mischung ganz unterschiedlich aus, sagt Bruno Priehäußer. Eine andere Tücke: nicht selten würden Spuren von hanfähnlichen Substanzen beigemischt, die die „Legal Highs“ eigentlich illegal machen – wenn man‘s denn bemerkt.

Dass diese Kräuter, die man leicht im Internet bestellen kann, gefährlich sind, zeigt ein Blick in die Polizeistatistik. Im Jahr 2015 starben in der Oberlausitz vier Menschen eindeutig aufgrund von Drogenkonsum – zwei davon haben legale Mischungen zu sich genommen.

Szene und Markt dafür wachsen nach Einschätzung von Experten rasant. Auch deshalb hat der Landkreis Görlitz die Mittel für Sucht- und Drogenberatung deutlich aufgestockt: von 646 000 Euro im Jahr 2014 auf 833 000 Euro in diesem Jahr.