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Gefährdet der Mindestlohn Jobs für Behinderte?

Die Regelung ab 2015 gilt auch für Mitarbeiter mit Handicap. Das Hotel „Regenbogenhaus“ in Freiberg steht vor einer großen Herausforderung.

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Von Verena Toth

Anja Klotke geht gern zur Arbeit. Immer hat sie ein Lächeln im Gesicht, freut sich auf Hotelgäste und ihre Kollegen. Dass sie ab dem neuen Jahr eine Stunde weniger arbeiten darf, mache ihr nichts weiter aus. Zumal sie am Ende des Monats trotzdem mehr Lohn erhält. Denn auch sie wird ab dem neuen Jahr den Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde verdienen.

Anja Klotke ist eine von insgesamt 13 behinderten Mitarbeitern des Freiberger Hotels „Regenbogenhaus“. Mehr als die Hälfte der Hotelangestellten gehören zur Gruppe jener Menschen, die es wegen der Schwere ihres Handicaps auf dem ersten Arbeitsmarkt sehr schwer haben. Das vor 13 Jahren vom Verein „Regenbogenhaus“ gegründete Hotel bietet ihnen einen festen Arbeitsplatz. Ist der nun wegen des Mindestlohngesetzes in Gefahr?

„Natürlich müssen wir reagieren und unsere Löhne anpassen“, erläutert Johannes Kretzer, Geschäftsführer des Hotels. „Wir tun das zunächst mit einer Arbeitszeitverkürzung. Kündigen wollen wir keinem.“ Der 20-köpfige Mitarbeiterstamm solle erhalten bleiben. Zwar werde auch der Lohnzuschuss vom Kommunalen Sozialverband erhöht. Allerdings könnten damit nicht alle zusätzlichen Aufwendungen gedeckt werden. Somit stehe sein Haus vor einer finanziellen Herausforderung. „Aber wir sind bereit, diese anzunehmen“, sagt Kretzer.

Jeder Mensch, so der Geschäftsführer, habe das Recht, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Dazu gehöre auch die Arbeitswelt. „Fakt ist, dass wir die hohen Standards und unser Angebot annähernd beibehalten wollen. Unsere Gäste werden keinen Unterschied feststellen“, versichert Hotelleiterin Claudia Vogel. Damit wolle sie kursierenden Gerüchten über eine drohende Insolvenz entgegentreten.

In Mittelsachsen lebten im Jahr 2012 rund 2 300 Menschen mit Behinderung (davon 1 600 schwerstbehindert). Gesetzlich ist jeder Betrieb ab 20 Mitarbeitern verpflichtet, entweder einen behinderten Menschen einzustellen oder stattdessen eine Abgabe zu zahlen. Männer und Frauen mit Handicap haben vor allem im verarbeitenden Gewerbe, in der Verwaltung, im Gesundheits- und Sozialwesen und im Handel einen Job gefunden. Die Agentur für Arbeit im Landkreis konnte in den vergangenen Jahren eine steigende Anzahl von berufstätigen Behinderten registrieren. Demgegenüber stehen derzeit 880 schwerbehinderte Menschen, die noch keinen Arbeitsplatz finden konnten.

„Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass die behinderten Mitarbeiter den ihnen zustehenden Lohn nach Gesetz bekommen sollen“, sagt Wolfgang Hopf, Behindertenbeauftragter des Landkreises Mittelsachsen. Allerdings könne er die Auswirkungen des Gesetzes im Moment schlecht einschätzen. „Fakt ist: Behinderte sind Teil des Arbeitsmarktes und sind oft hoch qualifizierte Fachkräfte, auf die der Arbeitsmarkt nicht verzichten kann.“ Die besonderen Voraussetzungen, die Behinderte benötigen, seien zwar sehr unterschiedlich, müssten aber auch nicht immer aufwendig sein.