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Gebremstes Zusammenwachsen entlang der Neiße

Gemeinsame deutsch-polnische Polizeistreifen haben Besetzungslücken. Deshalb wird jetzt etwas Neues probiert.

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Von Ralph Schermann

Görlitz. Gemeinsame Streifen sind Markenzeichen der Polizei in Grenzregionen. Auch entlang der Neiße gibt es sie. Schon vor vielen Jahren haben sich die Polizeiführungen in Wroclaw (Breslau) und Dresden vertraglich darauf geeinigt. Seitdem fahren sporadisch deutsche und polnische Beamte mal in diesem, mal in jenem Streifenwagen zusammen durch den „gemeinsamen kriminalgeografischen Raum“, wie die Region im Amtsdeutsch gern genannt wird.

So fing es an: Die erste binationale Streife an der sächsisch-polnischen Grenze lief im September 1999. Damals patrouillierte an der Neiße, die EU-Außengrenze war, noch der Bundesgrenzschutz.
So fing es an: Die erste binationale Streife an der sächsisch-polnischen Grenze lief im September 1999. Damals patrouillierte an der Neiße, die EU-Außengrenze war, noch der Bundesgrenzschutz. © dpa

In Weißwasser ist das regelmäßig Alltag. In Zittau zeigen tschechisch-polnisch-deutsche Dreiergruppen zweimal monatlich Präsenz. Die Verkehrspolizeiinspektion mit Sitz in Bautzen kontrolliert gemeinsam mit polnischen und tschechischen Kollegen. Nur in Görlitz hakt es. Zwischen dem Revier Görlitz und der Kreiskommandantur Zgorzelec werden regional zwar die meisten Gemeinschaftsschichten geplant, dafür aber leider auch die meisten wieder abgesagt, fast immer von polnischer Seite. „28 voriges Jahr insgesamt von der polnischen Polizei abgesagten Gemeinschaftsstreifen betrafen fast alle den Raum Görlitz/Zgorzelec“, bestätigt der Leiter des Direktionsbüros der Polizeidirektion Görlitz, André Schäfer. Damit fanden solche zweisprachigen Aktivitäten 2016 in Görlitz nur 54 statt wie vorgesehen 82 Mal statt. Diese Entwicklung ging weiter: Von Januar bis April gab es auch 2017 bisher ein Drittel Streifen weniger. André Schäfer sieht einen Grund in der sehr knappen Besetzung der polnischen Kommandanturen. „Wird einer krank, muss ein anderer die Nachtschicht tauschen, dann geht die langfristig geplante gemeinsame Streife plötzlich nicht mehr“, überlegt Schäfer. Das sei auch bei aktuellen Lageänderungen so, bei Einsätzen und unerwarteten Überstunden.

André Schäfer ist als Projektverantwortlicher für das binationale Programm Interreg Sachsen/Polen oft jenseits der Neiße zu Gast und weiß, dass Zgorzelecer Behörden nicht gern und schon gar nicht offen über das Problem sprechen. Dass Personalmangel zur Begründung herhalten muss, ist den Mitarbeitern der polnischen Polizei peinlich. Denn unter der Hand lässt der eine oder andere Bekannte schon mal durchsickern, dass mancher mittlerweile einen Mindestlohn in Deutschland dem polnischen Beamtengehalt vorzieht. Damit wäre erklärbar, warum deutsch sprechenden Zgorzelecer Polizisten weniger werden. „Welche Gründe auch immer dominieren – diese Entwicklung in und um Görlitz gefällt uns nicht“, sagt André Schäfer.

Mit einem neuen Projekt soll jetzt versucht werden, deutsch-polnische Streifen völlig anders als bisher und vor allem stabiler hinzubekommen. Nicht mehr lange im Voraus für einzelne Zeiten sollen Streifen geplant werden, sondern es wird auf längerfristige Teams mit Polizisten gesetzt, die beide Sprachen beherrschen. Im April nahm ein Görlitzer Beamter für zehn Wochen seinen Dienst in der Kommandantur Zgorzelec auf, gehört dort zur Besatzung eines Funkwagens und fährt alle Einsätze mit. Im Anschluss wird für ebenfalls zehn Wochen ein Zgorzelecer Beamter einen Platz in einem Görlitzer Streifenwagen einnehmen. André Schäfer: „Das vermittelt Wissen untereinander, stärkt die Zusammengehörigkeit und bringt uns gleichzeitig den Vorteil, nicht mehr jede gemeinsame Streife einzeln abstimmen zu müssen.“

Die polnische Polizeiführung signalisiert immer wieder, an gemeinsamen Streifen auch weiterhin Interesse zu haben. Das geht auch praktisch besser, seit 2014 das erweiterte Polizeiabkommen in Kraft trat. Es gestattet seitdem den Polizisten beider Staaten Hoheitsrechte im jeweiligen Nachbarland. Ohnehin machen uniformierte und zivile Beamte den Nutzen solcher Zusammenarbeit längst vor: Die Gemeinsame Fahndungsgruppe (GFG) Neiße mit zehn deutschen und zehn polnischen Ermittlern ist beiderseits des Grenzflusses erfolgreich, und die Kriminalpolizeiinspektion Görlitz kennt genügend Fälle, an deren Lösung Zgorzelecer Kripo-Beamte auf dem kurzen Dienstweg erfolgreich mitarbeiteten.

Ausgerechnet die für die Bevölkerung wichtigen, weil sichtbaren gemeinsamen Streifen sollten da nicht in Ordnung zu bringen sein? „Nach 20 Wochen bewerten wir das neue Projekt genau. Bei Erfolg bauen wir das aus. Wenn nicht, suchen wir neue Wege“, kündigt André Schäfer an.