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Geballte Erinnerung und etwas Wehmut

Über die Geschichte des Landmaschinenbaus wird jetzt in Singwitz informiert. Zur Einweihung kamen viele, die diese Geschichte mitschrieben.

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© Carmen Schumann

Von Carmen Schumann

Die neue Ausstellung an der Fortschrittstraße in Singwitz nennt sich „Straße der Erinnerung“. Viele Besucher sind am Sonnabend zur Einweihung der Schau gekommen. Die meisten von ihnen tragen in der Tat viele Erinnerungen mit sich herum. Und die sind nicht immer nur positiv. Dr. Lothar Voß ist auch nach so vielen Jahren die Enttäuschung noch anzumerken, dass er sich seinerzeit mit erst 60 Jahren aufs Abstellgleis gestellt fühlte, als die Mähdrescherproduktion eingestellt wurde.

„Ich war noch voller Ideen und Tatendrang und hätte noch bis 70 weiterarbeiten können“, sagt der frühere Entwicklungsingenieur, der mit seiner Frau Marlies extra aus Neustadt nach Singwitz gekommen ist. Wehmütig denkt er an sein bedeutendstes „Baby“, den Mähdrescher Arcus 2500, der 1997 auf der Messe Agritechnica mit einer Goldmedaille ausgezeichnet wurde, aber nicht mehr in Serie gefertigt werden konnte. Doch nun freut sich der frühere Ingenieur darauf, die neue Ausstellung anzuschauen und mit ehemaligen Kollegen darüber ins Gespräch zu kommen.

Eigenen Arbeitsplatz abgewickelt

Auch Heinz Kleber gehört zu den langjährigen Mähdrescherwerkern. „Über 20 Jahre habe ich in der mechanischen Fertigungsabteilung gearbeitet“, sagt er. Nach der Wende gehörte er dann zu denjenigen, die ihren eigenen Arbeitsplatz abwickeln mussten. Dabei habe er viele Unterlagen in den Händen gehabt, von denen einige jetzt ihren Weg auf die Schautafeln gefunden haben. Wie Lothar Schreier vom Förderverein Helo, der die Ausstellung federführend gestaltet hatte, sagt, habe man sich bei den Darstellungen auf den 13 Schautafeln in erster Linie auf die geschichtlichen Hintergründe und die technischen Entwicklungen bezogen. Der Bogen wird geschlagen vom Beginn der Industrialisierung durch die Firma Raussendorf, über den Fortschritt-Kombinatsbetrieb, die MDW-Mähdrescherwerke, die Hege-Erntemaschinen GmbH bis hin zur Endphase der Mähdrescherproduktion. Die flankierenden strukturellen und politischen Begleiterscheinungen bleiben dabei ausgespart, denn – so Lothar Schreier: „Darauf hatten die Mitarbeiter eh keinen Einfluss.“

Die Straße der Erinnerung, zu der es 2016 die ersten Ideen gab, wurde durch das Förderprogramm der Leader Region Bautzener Oberland ermöglicht. Regionalmanagerin Marlen Martin sagt, dass sich das Ergebnis sehen lassen kann. Es sei ein Projekt von Bürgern für Bürger. Die Schautafeln seien auch wichtig, um nachfolgenden Generationen zu zeigen, was in der Region einst alles hergestellt wurde. Die Singwitzer Straße der Erinnerung soll Bestandteil der Touristischen Route zur Industriekultur der Oberlausitz werden, die im nächsten Jahr eingeweiht werden soll.

Auch Stifte kamen aus Singwitz

Da der Industrieort Singwitz nicht ausschließlich durch die Mähdrescherproduktion geprägt war, ergänzte der Heimatverein Obergurig die Straße der Erinnerung durch zwei Schautafeln, die sich der ehemaligen Papierfabrik und dem Markant-Schreibgerätewerk widmen. In der früheren Papierfabrik an der Spree ist heute die Firma Raussendorf ansässig, die die Tradition des Landmaschinenbaus mit Spezialprodukten wie Knoten- und Bindetechnik für die Landwirtschaft sowie unter anderem mit Baumschultraktoren und Obstrobotern fortsetzt. Die Schreibgeräteproduktion wird von der nunmehr in Bautzen ansässigen Firma Edding fortgeführt.