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Gaststätte am Tor zum Gebirge

Die SZ erinnert in einer Serie an Menschen, Gebäude und anderes aus Zittau, die alle kennen – obwohl sie nicht mehr da sind. Heute: Fuhrmann Hentschel.

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© Rößler

Von Dietmar Rößler

Bis zur Jahrtausendwende war der Ort in Zittau eine eindeutige Wegmarke. Bei „Fuhrmann Hentschel“ wusste jeder, dass der Abzweig der Äußeren Oybiner vom Stadtring gemeint ist. Schließlich war der Name am barocken Haus zu lesen. Die Zahl 1762 am Türstock zeigte, dass das nahe der Stadtmauer gelegene Vorgängergebäude wohl dem Beschuss der Österreicher am 23. Juli 1757 zum Opfer fiel. Der Besitzer durfte das Haus wieder aufbauen, denn einen Stadtring gab es damals noch nicht.

© Gärtner

Dafür sperrte die nahe Stadtmauer den direkten Zugang in die Stadt. Eine Nutzung des Objektes als Gaststätte begann daher vermutlich erst, als nach 1850 die Mauer endgültig fiel. Jetzt wurde die Oybiner Straße Ausfallstraße genau wie die benachbarte Mandaustraße, die schon immer über die „Mandauer Pforte“ mit der Innenstadt verbunden war. Gut für das Gastronomiegeschäft. Das Adressbuch von 1880 weist im Gebäude Äußere Oybiner Straße 1 eine Schankwirtschaft „Hütter“ aus.

In der Nummer 2 wohnte 1880 ein „Hentschel, Lohnfahrer“, der vermutlich auch vom Mauerfall profitierte. Aber es gab damals viele Fuhrunternehmen in Zittau. Möglicherweise ein Grund für Bruno Hentschel, nach 1900 die Gaststätte zu übernehmen. Der Name „Hütters Restauration“ blieb, laut Adressbuch bis mindestens 1926. In der Ausgabe 1930 steht erstmals „Gasthaus Fuhrmann Hentschel“. Bruno Hentschel, 1909 noch als „Restauration, Destillation und Fuhrgeschäft“ firmierend, hatte inzwischen die Gaststätte an Paul Wolf abgegeben. Sieben Personen verzeichnet das Adressbuch 1938 in dem Gebäude, zwei weitere im Nebenhaus 1 a. Spätestens, als 1963 das Theater den Namen des schlesischen Dramatikers Gerhart Hauptmann erhielt, kam die Frage auf, ob ein Bezug zu dessen 1898 entstandenen Werk „Fuhrmann Henschel“ besteht.

Das Geschäft jedenfalls funktionierte, lag doch das Restaurant am Weg ins Gebirge. Auch dass die blaue Linie der Straßenbahn einst hier hielt, dürfte nicht geschadet haben. Nach 1945 gab es keine mehr. Das Freizeitverhalten änderte sich. Das Ende der Gaststätte „Fuhrmann Hentschel“ ist nicht bekannt. Nach 1990 erinnerte nur der Name an sie, an der Wand eines verfallenen Hauses. 2006 folgte der Abriss. Die Stadt verband diesen mit dem Bau eines Rückhaltebeckens für bei Starkregen entstehendes Abwasser, ergänzt durch Fahrbahnen, Fußwege und einer Bushaltestelle. Diese heißt Dr. Brinitzer Straße, die auf die Äußere Oybiner Straße und den Heinrich-Heine-Platz trifft.