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Gar nicht kleinkariert

Die Firma Spreetextil aus Neusalz hat einen Unternehmerpreis gewonnen. Mit ihrem Angebot entdeckte sie eine Nische.

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© Matthias Weber

Von Romy Kühr

Neusalza-Spremberg. Die Norddeutschen mögen Karos. Die Bayern auch. Deshalb haben die Näherinnen bei Spreetextil in Neusalza-Spremberg derzeit vor allem Bettdecken- und Kissenbezüge mit Karomuster auf dem Nähtisch liegen. Der Familienbetrieb hat einen Großauftrag an Land gezogen und näht für einen großen Hersteller Bettwäsche. „Das sogenannte Bauernkaro ist sehr beliebt“, erklärt Seniorchef Josef Haase. „Wir nähen es in verschiedenen Farben.“ Die zurecht- geschnittenen Stoffe dafür liegen in rot-weiß, blau-weiß, grün-weiß in einem großen Regal im Nähsaal der Firma.

Spreetextil ist ein Vorzeige-Familienbetrieb und genau dafür wurde die Firma jetzt geehrt. Von der Initiative Sächsischer Meilenstein, die jährlich gelungene Unternehmensnachfolgen auszeichnet, erhielt Spreetextil einen Sonderpreis in der Kategorie „Familieninterne Nachfolge“. Am Dienstag fand die Verleihung bei Dresden statt. Dotiert ist die Ehrung mit einem Preisgeld von 1000 Euro. Zusätzlich wurde im Betrieb ein Imagefilm gedreht, den die kleine Firma nun für ihr Marketing nutzen kann. Die Jury, die den Betrieb vor Kurzem auch selbst besichtigte, hat vor allem beeindruckt, wie die Firma sich über Jahrzehnte behauptet hat in einer Branche, die in der Oberlausitz eine jahrhundertealte Tradition hat. Gleichzeitig ist die Textilindustrie aber auch ein Bereich, der mit viel Billigkonkurrenz aus dem Ausland zu kämpfen hat.

Damit so ein Familienunternehmen auch in Zukunft eine Perspektive hat, steht irgendwann eine Nachfolgeregelung auf der Agenda. Das sei oft eine sehr emotionale Sache, sagt Juryvorsitzender Heiner Hellfritzsch. Die Vorstellung, das eigene Unternehmen abzugeben, falle den meisten Alt-Inhabern schwer. Rund die Hälfte der Unternehmer wünsche sich eine Nachfolge innerhalb der Familie. Für Josef Haase hat sich dieser Wunsch erfüllt. Vor acht Jahren stieg sein Sohn Winfried in den Betrieb ein. Zuvor hatte er bei der hiesigen Volksbank gelernt und gearbeitet, ein Studium als Bankfachwirt absolviert. Als der Vater das Rentenalter erreichte, entschied er sich, den sicheren Job in der Bank aufzugeben und selbst Chef zu werden. „Mein Vater hat mich nie dazu gedrängt“, sagt Winfried Haase. Aber er sei ja mit der Firma aufgewachsen. Schon während seiner Zeit bei der Bank nahm sich Winfried Haase Urlaub, um den Vater auf Messen zu begleiten. „Gereizt hat mich das schon länger. Ich bin kein Bürotyp, ich möchte etwas gestalten.“ Irgendwann habe er sich dann entscheiden müssen. Bereut hat er seinen Entschluss keine Sekunde, sagt Haase junior. Mittlerweile gehört dem heute 36-Jährigen der überwiegende Teil der Firmenanteile, Vater Josef ist eigentlich Rentner. Im Unternehmen schaut der 73-Jährige trotzdem noch fast täglich vorbei. Immerhin hat er sein ganzes Arbeitsleben hier verbracht.

Das begann 1961. Seitdem arbeitete Josef Haase in den Werkhallen an der B96 in Neusalza-Spremberg. Damals gehörten sie noch zu Lautex. Hier lernte er den Beruf des Webers, bildete sich später noch zum Textilingenieur weiter und machte sein Diplom. Mit 33 Jahren wurde er selbst Mitte der 1970er Jahre Direktor der Abteilung Absatz. 200 Beschäftigte arbeiteten bis 1990 auf dem 29000 Quadratmeter großen Gelände. Als nach der Wende Schluss war, fasste Josef Haase den Entschluss, den Betrieb privat weiterzuführen und weiterhin Textilien in Neusalza-Spremberg zu produzieren. Das Gelände wurde geteilt, Haase kaufte einen rund 6000 Quadratmeter großen Bereich der Treuhand ab. Finanzielle Unterstützung gab es von der Sächsischen Aufbaubank.

Einfach waren die 25 Jahre seitdem nicht immer. „Zunächst wurde der Markt ja nach der Wende mit Produkten aus dem Westen überschwemmt“, erinnert sich Haase senior. Doch der Betrieb mit heute elf Mitarbeitern konnte sich behaupten. Spreetextil kauft Stoffe von Lieferanten ein, fertigt daraus vor allem Tisch- und Bettwäsche. „Wir sind hauptsächlich eine Näherei“, so Juniorchef Winfried Haase. Hotels und Pensionen gehören zu den Kunden, ebenso wie die Bundeswehr oder ein Schiffsausstatter. Spreetextil näht aber auch für einen Pharmabetrieb Hüllen für Fangopackungen. Solche individuellen Aufträge sind es, mit denen der Neusalzaer Betrieb Kunden gewinnt.

Vor drei Jahren übernahm der Junior die Geschäfte ganz. Die größte Herausforderung sei gewesen, Akzeptanz bei den Mitarbeitern zu finden, sagt Winfried Haase. Sie waren allesamt schon sehr lange im Betrieb. Dann hieß es: „Jetzt kommt der Junior, der kommt aus der Bank.“ Doch trotz seiner beruflich bedingten Affinität zu Zahlen setzte Winfried Haase nicht radikal den Rotstift an. Sein Augenmerk lag darauf neue Nischen zu finden. Ein Markt, den er entdeckt hat, sind Kitas. In Einrichtungen in ganz Deutschland liefert der Neusalza-Spremberger Betrieb Bettwäsche und Lätzchen in großer Stückzahl. „Das Geschäft mit den Kitas macht mittlerweile 30 Prozent unseres Umsatzes aus“, sagt Winfried Haase. „Von Sylt bis zum Breisgau haben wir Kunden in diesem Bereich.“ Die Kontakte stellte Haase im Direktmarketing her. Eine Ferienschülerin bekam die Aufgabe, Adressen von Kitas und Trägern von Einrichtungen zu sammeln. Heraus kam eine Liste mit 3000 Einrichtungen, die Haase alle anschrieb. Auch sonst setzt er auf den Kinderbereich, die Firma entwickelt selbst Produkte. So gibt es zum Beispiel Handtücher mit integrierter Kapuze und Babylätzchen. Inzwischen entwirft Spreetextil auch selbst Motive für Kinderbettwäsche, zusammen mit einer Designerin. Die Motive lässt der Betrieb dann auf Stoff drucken und fertigt daraus die Bettwäsche.

Jetzt hat sich der junge Chef als Ziel gesetzt, den Betrieb noch bekannter zu machen. Denn während Spreetextil seine Waren nach ganz Deutschland und sogar in die Schweiz liefert, kenne mancher vor Ort die Firma nicht, hat Haase erfahren. „Vor einigen Jahren waren wir bei der Gewerbemesse Konventa in Löbau. Da habe ich gemerkt, wie wenige Leute aus der Gegend unsere Firma kennen.“ Das habe ihn erschreckt. Größere Bekanntheit will der Neusalza-Spremberger Betrieb unter anderem mit seinem Werksverkauf erreichen. Auf dem Gelände gibt es einen Laden. Dort kann jeder Bettwäsche, Tischdecken und anderes aus dem Sortiment vor Ort kaufen. Ein wichtiges Standbein – auch, wenn das Hauptgeschäft heute übers Internet läuft.

Um die Firma in Zukunft mit Erfolg weiterführen zu können, steht der Juniorchef nun vor einer besonders großen Herausforderung. Die meisten Mitarbeiter sind über 50. Langfristig muss Nachwuchs her. Deshalb bildet Spreetextil seit September erstmals selbst eine Näherin aus.