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Ganz wild auf Wild

Seit mehr als 100 Jahren gibt es die Landfleischerei Henker in Diera. Die Zukunft ist gesichert: Ein Nachfolger steht schon in den Startlöchern.

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© Claudia Hübschmann

Von Jürgen Müller

Diera-Zehren. Wozu in die Ferne schweifen, das Gute liegt so nah. Was schon Goethe wusste, in Diera ist es buchstäblich mit den Händen zu greifen. Besser gesagt, das Gute steht so nah. Gleich neben der Landfleischerei Henker in dem Ort befindet sich die Milchviehanlage. Und dort stehen auch die Kälber und Rinder, die bei Henkers zum Schlachten geführt werden. Da braucht man nicht mal einen Viehtransporter. „Es ist unsere Philosophie, dass wir möglichst alle Produkte aus der Region beziehen“, sagt Fleischermeister Henry Henker, der den 1911 gegründeten Familienbetrieb seit dem Jahr 2 000 führt. Partyservice wird seit 1990 angeboten.

Bei Henkers wird alles selbst geschlachtet - die Rinder aus Diera, die Schweine aus Priestewitz, die Lämmer aus Gröbern. 500 Schweine, 20 Kälber, ebenso viele Rinder und 15 Lämmer kommen Jahr für Jahr bei Henkers unters Messer. Und selbst das Wild, für das die Landfleischerei berühmt ist, kommt direkt aus dem Wald frisch auf die Theke. Die Henkers sind Jagdpächter, schießen das Wild im Revier rechts der Elbe selbst. Derzeit ist noch Schonzeit, doch ab Mai geht es wieder los.

Die kleine Landfleischerei mit ihren zehn Mitarbeitern, davon vier Fleischer, hat Kunden, die bis aus Dresden kommen. „Es hat sich eben rumgesprochen. Die Leute fahren nach Nieschütz, um Spargel zu holen. Bei uns kaufen sie anschließend das Kalbfleisch“, sagt Henry Henker. Nicht nur in Diera werden die Produkte verkauft, sondern in mobilen Verkaufsständen auch in Nünchritz, Sörnewitz, Weinböhla und Coswig, meist auf Wochenmärkten.

Dienstag ist Schlachtetag

Jeden Tag gibt es Hausschlachtenes. Dienstag ist Schlachttag, die Wurstbrühe gibt´s dann kostenlos. Und die Henkers betreiben auch eine kleine Pension, gleich nebenan. Früher war das die Post. Eine öffentliche Gaststätte ist das nicht, es können aber Veranstaltungen gebucht werden. Und auch hier wird streng darauf geachtet, dass alles aus der Region kommt: der Spargel aus Nieschütz, die Kartoffeln auch, das Bier aus Meißen und Radeberg.

„Es ist ein Geben und Nehmen. Zu unseren Kunden zählen auch Gaststätten wie die Karpfenschänke, Lehmanns Weinstuben, das ´Roß` in Diesbar-Seußlitz“, sagt Henry Henker. In zwei Zimmern können die Gäste in der Pension „Zur Post“ nach dem opulenten Mahl auch ihr müdes Haupt betten. „Wir betreiben die Gaststätte, die wir vor drei Jahren ganz auf Jagd ausgerichtet haben, vor allem, um noch mehr Kundenbindung zu erreichen“, sagt Henry Henkers Sohn Hans.

Der 21-Jährige macht derzeit die Meisterschule, und sein künftiger Weg ist jetzt schon klar. Er wird die Landfleischerei mal übernehmen, sie in fünfter Generation weiterführen. Neun Jahre hat er noch Zeit, dann will sein Vater in Rente gehen. Der war nach der Wende auch einige Jahre in den alten Bundesländern, kehrte aber 1994 zurück. „Ich wollte die elterliche Fleischerei übernehmen“, sagt er. Diese wurde damals für rund zwei Millionen Mark auf den neusten Stand gebracht.

Die Landfleischerei floriert, dennoch: „Die goldenen Zeiten sind vorbei. Durch den Mindestlohn wurde alles teurer, auch die Preise bei uns“, so Henry Henker. Doch die Kunden würden gern mehr Geld ausgeben, wenn sie wissen, dass sie dafür Frische und Qualität bekommen. „Bei uns gibt es eben noch Kochschinken, der gemacht ist wie bei Großmutter, aus einem Stück. Pressfleisch oder zusammengeklebten Schinken werden Sie bei uns nicht finden“, sagt Hans Henker.

Und der Schinken hat auch einen regionalen Namen: Golkwald-Schinken. Ganz wild sind die Kunden aber auf Wild. Geschossen wird nicht nur im eigenen Revier, sondern auch in Bayern. Immer Anfang Dezember fahren die Henkers regelmäßig dorthin zur Hasenjagd. Die Kaninchen kommen dann wieder vom Kaninchenhof Roda. Und auch anderer hiesige Produkte liegen in der Verkaufstheke: Nudeln aus Garsebach, Eier aus Großenhain, Essig aus Colmnitz bei Tharandt.

Wert auf regionale Herkunft legen nicht nur die privaten Kunden. Auch eine Suppenküche in Dresden, welche alle zwei Wochen von Henkers mit Bockwurst beliefert wird, machte es sogar zur Voraussetzung, dass die Produkte aus der Region stammen und hier verarbeitet werden.

„Bei uns wird noch produziert wie einst bei Oma auf dem Hof“, sagt Henry Henker. Es werden fast keine Konservierungsstoffe benutzt, nach traditionellen Methoden gearbeitet. Selbst ihren Pfeffer mahlen die Henkers selbst. Doch die Henkers wollen sich nicht mit fremden Federn schmücken. Zwar kommen 98 Prozent der in der Fleischerei verkauften Produkte aus eigener Herstellung. Weniges wird dazugekauft. Die echte französische Edelsalami gehört dazu. Das sei ihnen verziehen.