Merken

„Gaffer sind ein Problem“

Das sagt der Großschönauer Gemeindewehrleiter Fabian Hälschke im SZ-Gespräch. Vor allem aber geht es um das große Jubiläum.

Teilen
Folgen
NEU!
© Matthias Weber

Von Holger Gutte

Großschönau. Mit einer großen Schauübung von deutschen und tschechischen Feuerwehren sowie Spezialeinheiten des Landkreises Görlitz beginnt am Sonnabend die Jubiläumsfeier anlässlich 160 Jahre Feuerwehr Großschönau. Die Wehr hat eine bewegende Geschichte und ist gleich mehrmals Vorreiter gewesen, wenn es darum ging, neue Technik einzuführen oder grenzüberschreitende Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die SZ blickt mit Gemeindewehrleiter Fabian Hälschke zurück und voraus.

Die vor den Nazis gerettete Abprotz-Spritzen-Kutsche aus dem Jahr 1883 der Großschönauer Feuerwehr.
Die vor den Nazis gerettete Abprotz-Spritzen-Kutsche aus dem Jahr 1883 der Großschönauer Feuerwehr. © privat

Herr Hälschke, laut Chronik hatte die Großschönauer Feuerwehr in ihrer 160-jährigen Geschichte 16 Kommandanten – hatte jeder von ihnen quasi zehn Jahre Amtszeit?

Nein, das war nicht so. Wir hatten Kommandanten, die über eine sehr lange Zeit im Amt waren. Am längsten Kommandant war Fabrikant Richard Goldberg, der 41 Jahre lang die Feuerwehr führte. Danach kam Gerhard Prescher mit einer 23-jährigen Amtszeit. Mein Vorgänger Dieter Neumann ist 16 Jahre Gemeindewehrleiter gewesen. Und seit 2012 bin ich es nun.

Die Bilder im Depot zeigen, dass viel Wert auf Traditionspflege gelegt wird.

Ja, das war bei uns schon immer so. Deshalb können wir zu besonderen Anlässen auch noch eine funktionstüchtige Abprotz-Spritze von 1883 präsentieren. Die haben Großschönauer Kameraden vor den Nazis gerettet. So eine Spritze war auf einer Kutsche montiert, die von Pferden gezogen wurde. Abprotz-Spritzen waren aber in der Regel aus Kupfer und das musste für die Rüstungsindustrie abgegeben werden. Großschönau besaß mal acht solcher Spritzen-Kutschen – das waren damals genauso viele, wie es in ganz Berlin gab. Wenigstens eine wollten unsere Kameraden retten. Also haben sie die Spritze schwarz-rot überstrichen, dass nichts mehr auf Kupfer hindeutete. Seit zwei Jahren ist sie nun wieder komplett restauriert. Drei Jahre haben Kameraden von uns daran zuvor gearbeitet. Jetzt steht die Abprotz-Spritze als Leihgabe im Großschönauer Technikmuseum. Wir haben aber auch noch einen alten K30 Garant, dem Vorgänger des späteren LO von Robur. Wir legen auch großen Wert darauf, dass unsere Alters- und Ehrenabteilung bei Versammlungen und Festen das Gefühl bekommt, nach wie vor dazuzugehören.

Die Feuerwehr hatte in 160 Jahren viele Brand- und Rettungseinsätze, gab es auch Tiefpunkte in der Geschichte?

Ja, leider. Sogar einen großen, den wir immer noch nicht ganz überwunden haben. 1994 gab es in Großschönau eine Brandserie. Der Feuerteufel ist ein aktives Mitglied unserer Wehr gewesen. Das ist ein Albtraum einer jeden Feuerwehr. Er hatte mit Strohballen und Mülltonnen kleine Feuer gelegt, aber auch große in Schuppen und Scheunen. Und dann bei einem Dreiseithof sogar in Kauf genommen, dass das Feuer auf angrenzende Gebäude übergreift, wo Tiere und Menschen gefährdet waren.

Haben Sie in der Wehr auch ein Problem mit der Nachwuchsgewinnung?

Natürlich. Wie fast jede Feuerwehr. Im Kindesalter ist die Begeisterung groß. Aber danach geht sie scheinbar verloren. Ich sag immer, wenn die Hälfte der Väter, die mit ihren Kindern zu Feuerwehrveranstaltungen gehen, bei uns Mitglied würden, wäre uns sehr geholfen. Sie müssen ja nicht unbedingt ein aktives Mitglied werden. Wir brauchen auch Helfer außerhalb der Einsätze.

Haben Sie bei Einsätzen auch ein Problem mit Gaffern und Leuten, die gegen Rettungskräfte aggressiv werden?

Letzteres zum Glück noch nicht. Aber Gaffer sind ein Problem. Bei fast jedem Alarm sitzen schon Leute in ihren Autos am Depot, nur um uns hinterherzufahren. Auf Facebook werden die Bilder zigmal geklickt. Ich habe dagegen auf unserer Seite einen Artikel geschrieben „Wo bist du, wenn die Sirene geht.“ – der findet weitaus weniger Beachtung. Ich wünschte mir mehr Anerkennung für die Feuerwehr. Viele denken, wir bringen eine Dienstleistung, die sie bezahlt haben. Aber wir machen das ehrenamtlich und meist in unserer Freizeit und bekommen oft nicht mal ein Danke.

Zum Jubiläumsfest gibt es eine große Schauübung. Was ist dabei geplant?

Um 14 Uhr beginnt auf dem Festplatz eine große Schauübung mit Feuerwehren aus Jonsdorf, Hainewalde, Bertsdorf-Hörnitz, Spitzkunnersdorf, Zittau, Oderwitz, Varnsdorf und Svojkov sowie Spezialeinheiten des Landkreises. Angenommen wird ein Großbrand einer Lagerhalle von Damino. Wir wollen die Leistungsstärke und das Zusammenspiel der Wehren untereinander demonstrieren. Ab 20 Uhr gibt es Live-Musik mit Led Zeppelin Tribute und The Agony aus Prag. Am Montag setzen wir den Maibaum. 20 Uhr gibt es einen Lampion-umzug und danach Tanz in den Mai.

Mit der Varnsdorfer Feuerwehr verbindet Sie eine besondere Freundschaft?

Ja, vor 51 Jahren hat die uns bei einem Dachstuhlbrand am alten Zollhaus am Grenzübergang geholfen, obwohl damals die Grenze noch zu war. Das sorgte für Aufregung in den Behörden beider Länder. Als die Großschönauer Kameraden 1967 eintrafen, hatten die Varnsdorfer schon mit einer Steckleiter das Dach des Hauses erklommen. Beide Feuerwehren löschten gemeinsam den Brand. Seitdem verbindet uns eine enge Freundschaft, die wir inzwischen auch noch mit der Feuerwehr von Svojkov haben.