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Gästewünsche müssen nicht teuer sein

Hendrik Stief beweist mit seiner Pension „Zum Grünen Tor“ in Görlitz, wie Touristen herzlich umsorgt werden können.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Sebastian Beutler

Görlitz. Hendrik Stief achtet auf kleine Details. Der Eigentümer der Pension „Zum Grünen Tor“ auf der Schulstraße überrascht seine Gäste damit immer wieder. Zum Beispiel mit einem Bord voll Gläser mit selbst eingekochter Marmelade, das Obst dafür liest er von Streuobstwiesen auf. Oder die verschiedenen Sorten von Kandiszucker für den morgendlichen Tee. Wer will, kann aus dem weißen Friesenkandis, dem braunen Kandis, dem Wiener Würfelzucker und englischen Kandissorten auswählen. Wer am Abend in der Pension noch einen Schluck Wein oder Champagner trinken möchte oder Appetit auf ein Bier aus den Nachbarländern hat, findet im Kühlschrank eine Auswahl einschlägiger Marken. Die Abrechnung ist Vertrauenssache. „Wer zu uns kommt, der soll es schön haben“, sagt Stief. Dabei geht er von sich aus. „Ich mache es so, wie ich es selber liebe.“ Und damit fährt der ausgebildete Informatiker Stief gut, seit er die Pension in der Schulstraße 2006 eröffnete, die sich mit Sauna und Zen-Meditationen ein ganz eigenes Profil gegeben hat.

Die individuell-familiäre Note kommt an. Seit Jahren erhält er mit der Pension beste Noten, wenn Gäste ihn beurteilen sollen. Das Schweizer Reiseportal „Holiday-Check“ beurteilt Pensionen weltweit aufgrund von Einschätzungen der Gäste. Stiefs Pension landete in diesem Jahr auf Platz vier in Sachsen, gleich hinter dem Hotel von Skisprung-Star Jens Weißflog in Oberwiesenthal. Nur noch das Hotel „Bei Schumann“ in Schirgiswalde-Kirschau gehört aus der Oberlausitz noch zu den zehn besten Einrichtungen in Sachsen. Diese Bewertungen sind für Stief beste Werbung, denn zwar orientieren sich potenzielle Gäste zuerst am Preis, doch gleich danach entscheiden sie sich anhand von Beurteilungen der Gäste.

Was Stief erlebt, bestätigt auch der Ostdeutsche Sparkassenverband mit seinem renommierten Tourismusbarometer. Zum 20. Mal hat die Organisation in diesem Frühjahr die Trends im Tourismusgeschäft in den neuen Ländern analysiert. Dabei musste sich der Verband einen Reim darauf machen, warum die Nachfrage nach Übernachtungen im Westen Deutschlands schneller steigt als im Osten.

Der Präsident des Ostdeutschen Sparkassenverbands, Michael Ermrich, kam zu dem Schluss: „Wir freuen uns über eine insgesamt erfolgreiche Entwicklung des Tourismus, dürfen aber die Warnsignale nicht ignorieren. Nur Investitionen in mehr Qualität verhindern Einbußen. Unsere Gäste wollen sich am Urlaubsort wohlfühlen und etwas Besonderes erleben, sie entfliehen dem Alltag auf Zeit. Die Gastgeber tun gut daran, passgenaue Unterkünfte und vielfältige Erlebnismöglichkeiten anzubieten. Ihre Gäste schätzen es, wenn Sie ihnen mit spürbarer Gastfreundschaft begegnen.“ Letztlich sind darauf auch die Bemühungen des Görlitzer Tourismusvereins gerichtet, Görlitz als qualitätsvolle Tourismusstadt zu positionieren.

Ausruhen gilt also nicht. Stiefs neueste Errungenschaft ist eine Tankstelle für E-Bikes seiner Hausgäste. Seit Mitte Juni steht seinen Urlaubern eine Ladestation zur Verfügung, aus der sie ihre Batterie mit umweltfreundlichem Ökostrom aus Wasserkraft aufladen können. „Eine steigende Zahl an Besuchern meiner Bett-und-Bike-Pension leisten sich das Fahrvergnügen eines E-Bikes“, sagt Hendrik Stief. „Dem habe ich Rechnung getragen. Für mich war dabei klar: wenn, dann kann es nur Strom aus einer regenerativen Quelle sein. Das ist nicht nur die Philosophie meiner Pension, das ist auch Wunsch einer steigenden Zahl an Nutzern.“ Um die Auslastung seiner fünf Doppelzimmer in der Pension muss sich Stief nicht sorgen, in die offizielle Übernachtungsstatistik der Stadt fließen seine Zahlen aber nicht ein, dazu ist seine Pension zu klein. Vor allem aus Berlin, aber auch aus Brandenburg und dem Leipziger Raum oder dem Vogtland kommen seine Gäste, weniger häufig aus Hamburg, dem Ruhrpott oder generell dem deutschen Norden. Viele von ihnen bleiben zwei, drei Nächte, schauen sich die Stadt an, wollen ihren Hunger nach schöner Architektur stillen, deswegen hält er eine eigens angefertigte kleine Baustilkunde bereit. Aber vor allem suchen sie Ruhe. „Das Verlangen nach Entschleunigung hat bei meinen Gästen zugenommen“, beobachtet Stief aufmerksam. Und er findet, dass Görlitz für all jene ein lohnendes Ziel ist, denn mit der Mischung aus Architektur und Faulenzen am Berzdorfer See ist Görlitz für ihn „eine entschleunigte Stadt“.

Tatsächlich geben dieses Gefühl auch viele jener Neugörlitzer an, die große, rumorende Städte verlassen und ins beschauliche Görlitz kommen: einerseits städtisches Leben, andererseits aber doch keine Großstadt mit ihrem Lärm und schnellen Rhythmus. Vielleicht findet Görlitz auch darüber zu einem wachsenden Bekanntheitsgrad. Stief jedenfalls hört oft am Telefon von Urlaubern vor ihrer Reise nach Görlitz: „Da soll es doch so schön sein.“