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Gänsehaut für vier Generationen

62 Jugendliche erlebten am Sonnabend ihren großen Tag im Volkshaus Döbeln. Beim Festakt fließen Freudentränen.

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© André Braun

Von Marcus Moeller

Döbeln. Vorfreudige, angespannte, aufgeregte und gerührte Gesichter und sich präventiv langsam volltankende Tränendrüsen sind an diesem Wochenende im Döbelner Volkshaus zu finden. Diejenigen, die selbst eine Jugendweihe erlebt haben, wissen warum. Die Jugendweihe ist eine rührend-nachdenkliche Zäsur im Leben eines jungen Erwachsenen und dessen Eltern. Und auch wenn sich das Programm dem Zeitgeist stetig anpasst, so bleibt dem Tag des Erwachsenwerdens eines konstant erhalten: Ein Pathos, dem sich manch ein stolzes Gemüt augenbrauenzuckend entziehen zu versucht, um dann am Ende doch den tränenden Augen Luft zuzufächern.

Matthias Reif vom Sächsischen Verband für Jugendarbeit und Jugendweihe kennt das Phänomen bestens: „Es hat sich aber auch einiges verändert. Die Programmvielfalt ist heute eine ganz andere.“, sagt Reif. Zudem sei der Dresscode weniger streng. „Die Jugendlichen sollen anziehen, worin sie sich wohlfühlen. Da bestehen keine Zwänge.“ Von seiner eigenen Jugendweihe im Jahre 2001 ist Reif ein Fauxpas im Gedächtnis geblieben: „Das Blumenkind hatte mich damals vergessen.“

Zu den 41 Jugendweihlingen des Lessinggymnasiums gesellen sich an diesem Sonnabend gut 250 Gäste. Am Vormittag waren bereits 21 Oberschüler und 170 Gästen im Volkshaus. Daran zeigt sich der Trend, dass längst nicht nur mehr Eltern dem feierlichen Akt beiwohnen, sondern auch Großeltern oder gar Urgroßeltern, sowie Freunde und Verwandte. „Die Veranstaltung umfasst also vier Generationen.“, sagt Reif. Seit August letzten Jahres konnten die Jugendlichen bereits viele Angebote des Verbands wahrnehmen - verschiedene Feiern und Expeditionen etwa. Viele von ihnen gehen in Richtung Präventions- und Suchtarbeit, andere sollen schlicht ein Kennenlernen und Beisammensein der Teilnehmer fördern. Der diesjährige Höhepunkt allerdings: der Knigge-Kurs.

Knigge und gute Tipps

Neben Knigges Benimmregeln erhalten die jungen Erwachsenen vom heutigen Festredner, Lothar Schmidt, Ratschläge. Der stellvertretende Bürgermeister hielt schon einmal eine Festrede zur Jugendweihe - das war 1989, also zu einer Zeit, „als das nur wenige machen wollten.“ Der Tenor seiner Rede ist weitgreifend. Es geht um Roboter und IT-Technik, Lebensmittelverschwendung und Klimawandel, kurz: Um die Herausforderungen der nächsten Generationen. Er vergisst dabei aber nicht zu erwähnen, dass die Erwachsenen der Jugend dabei zur Seite stehen werden.

Ein Beispiel, wie eine solche generationsübergreifende Unterstützung aussehen kann, liefern die Musiker von Stellmäcke und Band, die bis heute schon mehr als 50 Jugendweihen begleiteten: Das Stück „Zeugnistag“ von Reinhard Mey handelt von einem grünschnabeligen Urkundenfälscher, dem seine Eltern bei den Anschuldigungen ungefragt beistehen, ohne darüber ein weiteres Wort zu verlieren. Elterliche Nachsicht. Ansonsten spielt die Band vor allem Lieder von Gerhard Schöne. Sänger Olaf Stelmek trägt sie in klassischer Liedermacher-Manier vor: hochgezogene Augenbrauen, betonende Mimik mit einer Prise Mahnung, sieht er in die Menge und verbreitet die in Metaphern verpackten Lebensweisheiten. Und dann ist er wieder da - dieser innerliche Versuch, von dem allzu tiefsinnig-melancholischem Flair nicht gerührt zu sein. Nur: Es gelingt einem nie.