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Fußballer trauern an der Stelle, wo ihr Freund starb

Die Altherren-Mannschaft vom Großenhainer FV lässt das Training auf dem Kunstrasen ausfallen. Vor einer Woche brach hier ein Mitspieler zusammen.

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© SZ/Jörg Richter

Von Jörg Richter

Großenhain. Die Tür zur Sportlerklause in der Rödertalhalle öffnet sich. Nach und nach treffen die Alten Herren des Großenhainer FV ein. Kein lautes „Hallo“ wie sonst. Kein Lachen und Scherzen. Die Männer setzen sich leise an einen Tisch. Es wird kaum gesprochen.

Vor einer Woche starb Thomas Anders während des Trainings.
Vor einer Woche starb Thomas Anders während des Trainings. © M. Kost/Archiv

Jeden Mittwoch treffen sie sich hier zum Training. Normalerweise hätten sie schon längst Sportsachen an und ihre Noppenschuhe geschnürt und könnten es kaum erwarten, gemeinsam Fußball zu spielen. Doch diesmal ist alles ganz anders. Denn einer fehlt.

Vor einer Woche starb ihr Mitspieler und Freund Thomas Anders während des Trainings. Nach einem Sprint auf dem Kunstrasen soll er umgefallen und liegengeblieben sein. Die anderen Fußballer dachten zunächst, dass der 59-Jährige sich verletzt habe. Doch schnell wurde ihnen klar, dass es schlimmer um ihn stand, denn er regte sich nicht.

Seine Mitspieler Wilfried Lindemann und Andreas Pluntke versuchten, ihn mit Herzdruckmassage zu reanimieren. „Zehn Minuten später traf der Rettungsassistent ein und machte mit einem Defibrillator weiter“, erzählt Volker Hennig. Ohne Erfolg. Der Notarzt, der nach weiteren 18 Minuten im Husarenpark erschien, konnte nur noch den Tod feststellen.

Mittlerweile sind alle Spieler der Alten Herren in der Sportlerklause erschienen. „Es ist uns allen ein Bedürfnis, nicht einfach so zur Tagesordnung überzugehen“, sagt Spielführer Jürgen Winkler. Stattdessen wollte die Mannschaft zusammenkommen, um ihrem Freund Thomas Anders zu gedenken. Die Alten Herren erheben sich und gehen lautlos raus auf den Kunstrasen. An der Stelle, wo ihr Mitspieler starb, bilden sie einen Halbkreis und legen eine Schweigeminute ein. Anschließend gehen sie an den Zaun. Hier haben Schüler von Thomas Anders ein Bild von ihm angebracht und mit zahlreichen Blumen geschmückt. Er war Sportlehrer am hiesigen Berufsschulzentrum und auch dort unter Schülern und Kollegen sehr beliebt. Beim Blick auf die Blumen sagt Winkler: „Nicht nur wir werden ihn vermissen“.

Thomas Anders spielte ab 1964 Fußball in Großenhain, erst bei der BSG Landtechnik, nach dem Zusammenschluss mit Fortschritt auch im 1990 gegründeten Großenhainer FV. Dessen Präsident Andreas Vogel sagt: „Der ganze Verein ist geschockt. Jeder kannte und mochte ihn.“ Von 1993 bis 1995 war Thomas Anders Trainer der ersten Männermannschaft. Als der Erfolg ausblieb, machte er, ohne beleidigt zu sein, den Weg frei für einen neuen Trainer. Diese Bescheidenheit und seine grundpositive Einstellung zum Leben kamen an. Winkler erzählt: „In einer Truppe gibt es immer Reibereien. Aber Thomas hatte die Gabe, zwei Sturköpfe wieder an einen Tisch zu bringen.“ Deshalb sei er auch im Mannschaftsrat der Alten Herren gewesen. „Sein Wort hat gezählt“, sagt auch Klaus Härtel.

Der Vorstand des Großenhainer FV hat beschlossen, dass die Landesklassen-Elf zum Heimspiel am Sonnabend mit Trauerflor aufläuft. Außerdem soll es vor der Partie eine Schweigeminute eingelegt werden. Die Witwe von Thomas Anders ist als Ehrengast eingeladen. Wegen des Wetters wurde das Punktspiel von der Jahnkampfbahn in den Husarenpark verlegt.