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Fürs Bett fast zu schade

Die Pfeiler Wäsche Manufaktur aus Eppendorf im Erzgebirge reanimiert eine alte Westmarke.

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© Thomas Kretschel

Von Michael Rothe

Auf den ersten Blick hat Eppendorf im unteren Erzgebirge wenig zu bieten – außer Sachsens größter Dorfkirche. Dennoch ist die 4 200-Seelen-Gemeinde 20 Kilometer östlich von Chemnitz ausgesprochen anziehend. Und das seit fast 100 Jahren: Eine kleine Acrylglasscheibe vor dem Edeka-Markt erinnert an die wechselvolle Bekleidungsgeschichte. Dort stand mal der Stammbetrieb eines volkseigenen Kombinats mit 3 500 Leuten: erst Schuhfabrik, im Zweiten Weltkrieg Bekleidungswerk, nach der Enteignung landeseigen und ab 1955 VEB Planet Wäschekonfektion Eppendorf. Aber der Stern des größten Bettwäscheherstellers der DDR mit 560 Mitarbeitern allein in Eppendorf war nach Wende, Treuhandzeit und Fehlverkauf mit Pleite 1992 zunächst untergegangen. Der Liquidation folgte 2001 der Abriss.

Wirtschaft in Sachsen. Diesen und weitere Artikel über die sächsische Wirtschaft und ihre Macher finden Sie in der aktuellen Ausgabe von „Wirtschaft in Sachsen“ – dem Entscheidermagazin der Sächsischen Zeitung, erhältlich am Kiosk und an Tankstellen. Gern
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Doch zwei Ecken weiter lebt sein Erbe fort. In der Bahnhofstraße, in einem unscheinbaren Zweigeschosser, entsteht feinste Bettwäsche. „Pfeiler Wäschemanufaktur“ steht am Klingelschild. Der Chef öffnet selbst.

Christoph Hagedorn hatte die Firma 2007 von Gründerin Ursula Pfeiler übernommen. Der gelernte Einzelhandelskaufmann hatte zuvor viele Jahre Modehäuser wie C&A und Breuninger in Dresden, Leipzig und Erfurt geleitet. Ein Headhunter suchte und fand den Münsterlander unter 100 Kandidaten. Das war kurz vor der Wirtschaftskrise, „eigentlich zur Unzeit“, so Hagedorn. „Entweder machst du es jetzt oder nie“, habe sich der damals 45-Jährige gesagt – und gehandelt. Seitdem fährt der dreifache Familienvater täglich 60 Kilometer zur Arbeit und die gleiche Strecke zurück nach Radebeul. Mindestens zwei Tage pro Woche ist er im Außendienst unterwegs. „Der Fachhandel sucht den direkten Kontakt“, erklärt Hagedorn. Deshalb gehe er, anders als  seine Vorgängerin, nicht auf Messen wie die „Heimtextil“ in Frankfurt am Main – „zu teuer und uneffektiv“.

Der Jungunternehmer firmierte um zur Pfeiler Wäsche Manufaktur GmbH – und machte die „Wäschetradition“, Namensbestandteil der Vorgängerfirma, zum Programm: Er kaufte im vergangenen Sommer die Rechte an der Marke „Bleyle“ – vor allem im Westen ein Begriff für exklusive Damentag- und -nachtwäsche, Homewear, Bettwäsche. Die Wilhelm Bleyle OHG war vor 100 Jahren mit 2 000 Mitarbeitern einer der größten Hersteller von Strickwaren. Mit Matrosenanzügen berühmt geworden, standen die Stuttgarter auch für Mädchenkleider, Reit- und Turnkleidung und Damenwäsche, für die etwa Schauspielerin Iris Berben warb. In den 1980er-Jahren hatte Bleyle 105 eigene und Franchiseläden. Doch die teuren Kollektionen für ältere Semester waren zu bieder im Wettbewerb mit Bogner, Escada & Co. Folge: Millionenverluste, gescheiterte Sanierung, Pleite, Werksschließungen.

Die Chance für Hagedorn. „Wer heute was erreichen will, muss eine Marke besitzen oder aber der Günstigste sein“, sagt er im Empfangsraum, der zugleich Showroom ist. Auf einer mobilen Kleiderstange räkeln sich 50 Wäscheteile auf Tuchfühlung. Modelle aus Modal, Seide, Kaschmir lassen mit Namen wie Versailles, Bali und Orient von der weiten Welt träumen – Mieder mit und ohne Plauener Spitze, eher züchtig als schlüpfrig. Die Auswahl wird umrahmt von Bettwäsche an den Wänden, die auch 200 Euro kosten kann: mit Streifen, Pünktchen oder Blüten in Satin, Mako-Perkal, Leinen und Halbleinenjacquard mit eingesetztem gesticktem Hohlsaumband.

„Wir entwickeln schon die Wäschekollektion für Herbst/Winter 2017/18“, sagt Designerin Maud Müller. „Manche Sachen sind fürs Bett fast zu schade“, so die 26-Jährige. Für Großkunden gebe es günstigere bedruckte Modelle. Doch das Gros der Bettwäsche, Kissen, Decken, Plaids, Morgenmäntel, Pyjamas, Laken und Tischdecken ist teuer. Kein Wunder, setzt Hagedorn doch auf Gewebe aus Italien und Handwerkskunst aus Deutschland. „100 Prozent made in Germany“, wirbt er für seine Edelschiene. Entwurf, Zuschnitt, Konfektionierung und Verpackung erfolgen in Eppendorf. Sächsische Partner liefern Stoffe und Spitze, drucken oder nähen.

Eine Etage höher neben Fertigteil- und Stofflager surren Nähmaschinen und Zuschnittmesser. Von einst 20 übernommenen Frauen ist nur noch die Hälfte da. Grund: Hagedorn musste die Lohnkonfektion zurückfahren. Mit den Verbliebenen und der neuen Marke will er durchstarten. Noch mache Bettwäsche zwei Drittel des Geschäfts aus, aber das werde sich zugunsten der Nachtwäsche ändern, ist der Chef überzeugt. Er konzentriert sich auf den deutschen Markt. Dazu gebe es Kunden in Österreich, Holland und der Schweiz. Seine Vision? „In drei Jahren die Umsatzmillion, die Mitarbeiterzahl passend erhöhen und eigenständig bleiben.“

„Bleyle“ sei eine schlummernde Marke. Die wolle er wecken – „nicht jung, aber jünger werden mit 30/35-Jährigen als zusätzlicher Zielgruppe“. Womöglich ein Problem. Schließlich werden diese Frauen höchstens 29.