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Für wie viele Kinder soll eine Erzieherin da sein?

Streitpunkte Betreuungsschlüssel und Lehrerzahlen.

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Streitpunkt Betreuungsschlüssel

Leserinnen erinnern sich, dass sich der Ministerpräsident 2009 dafür ausgesprochen hat, den Kita-Betreuungsschlüssel wenigstens auf 1 : 12 zu reduzieren. Nun wollen sie wissen: Stehen Sie noch zu diesem Ziel?

Stanislaw Tillich: Qualität ist nicht alleine am Betreuungsschlüssel zu messen, sondern auch an anderen Fragen, zum Beispiel der Erfüllung des Bildungsplanes. (...) Wir haben uns jetzt mit der kommunalen Familie verständigt, 185 Euro/Kind und pro Monat zusätzlich zur Verfügung zu stellen. (...) Das ist ein erster Schritt. Wir wollen einen zweiten tun. Den habe ich auch angekündigt, im Zuge der Haushaltsberatungen, um auch die personelle Ausstattung der Kitas zu verbessern.

Man muss ehrlicherweise dazu sagen, in diese Zulage, da fließen 50 Euro/Jahr und Kind in die Betreuungsverbesserung.

Rico Gebhardt: Herr Ministerpräsident, ich glaube wirklich, Sie haben keine Vorstellungen davon, was es bedeutet, wenn man in einer Kita mit 1:13 (Betreuungsschlüssel, d. Red.) arbeiten muss. (...) Aus persönlichem Erleben kann ich sagen: Wenn man früh in die Kita kommt und sein Kind abgibt, da sind gefühlte 1:18, 1:19. Deswegen brauchen wir eine Absenkung auf 1:12 mindestens für die nächsten zwei Jahre. Wir können uns nicht so rausmogeln, indem wir sagen, das machen wir mit Qualitätssteigerung. Entschuldigung, 50 Euro – was wollen Sie denn da anfangen. Da kaufen Sie ein neues Legospiel, dann ist das Geld alle.

Tillich: Also vielleicht nochmal: Da sind 185 Euro, die zusätzlich zur Verfügung stehen. (...) Damit kann man entweder mehr Personal einstellen, oder die Arbeitszeiten verlängern, oder flexibler reagieren. Im zweiten Schritt wollen wir noch mal die Personalausstattung mit zusätzlichen Mitteln verbessern und die großen Träger mit einbinden.

Gebhardt: Am Betreuungsschlüssel wird sich also nichts ändern.

Tillich: Wir haben nicht die Notwendigkeit, an den Betreuungsschlüsseln per se etwas zu ändern.

Gebhardt: Wenn wir sagen, 1:12 soll zukünftig der Schlüssel sein, müssen wir auch sicherstellen, dass Erzieher und Erzieherinnen ausgebildet werden. Das ist eine Verantwortung des Freistaates Sachsen und da höre ich noch nicht so richtig raus, dass Sie tatsächlich ausgebildete Fachleute einstellen wollen. Die Aussage, die Sie gemacht haben, „das kann ja auch eine Oma oder ein Opa machen“, da sag ich einfach mal, das ist wirklich der falsche Ansatz.

Tillich: Mein Menschenbild ist ein etwas anderes. Ich glaube auch, wenn ein Opa oder eine Oma einmal Kinder gehabt hat, dass er durchaus in der Lage ist, mit Kindern umzugehen. (...) Ich habe das wunderschön gesehen in verschiedenen Städten, wo Mehrgenerationenhäuser mit Tageseinrichtungen verbunden sind. Wo die älteren Menschen sich mit den Kindern beschäftigen, die Männer mit ihnen basteln, altes Rollenbild, ich könnte auch sagen die Frauen basteln und die Männer planschen mit ihnen. Also dass die Kindergärtnerinnen entlastet werden.

Streitpunkt Lehrerzahlen

Herr Gebhardt, wenn es nach Ihnen ginge, hätte künftig jede Klasse bis zur vierten Klasse zwei Lehrer. Jede Klasse hätte nicht mehr als 20 Köpfe. Wie viele neue Lehrer bräuchte Sachsen dann – und wie wollen Sie das bezahlen?

Gebhardt: Also ich weiß nicht genau, wie viel Lehrer wir dazu brauchen. Das könnte man ausrechnen. Das hängt auch ein bisschen davon ab: Was wollen Sie wirklich erreichen und in welchen Schritten. Ich habe im Moment eher das Gefühl, die Staatsregierung hoppelt von einem Schuljahr ins andere, und meistens vergaloppieren wir uns. Wir müssten uns ja erst mal darüber unterhalten, ob wir sicherstellen können, wie wir die ausscheidenden Lehrer und Lehrerinnen ersetzen, um konkret auf Ihre Frage zu kommen. Ja wir wollen Integration. Ja wir wollen auch, dass mehr Förderschulen …

Das ist nicht meine Frage.

Gebhardt: Doch, doch, das ist Ihre Frage. Die Anzahl der Lehrerinnen und Lehrer hat doch damit etwas zu tun. Ich wollte Ihnen die Frage doch beantworten, warum wir dafür mehr Lehrerinnen und Lehrer brauchen.

Wie viele?

Gebhardt: Das habe ich Ihnen doch gesagt, dass ich das jetzt nicht genau weiß. Aber woher wir das Geld bekommen müssen, das kann ich Ihnen gern sagen. Der Freistaat ist ja nicht arm. Sachsen verfügt über eine Milliarde Euro, die es frei rumliegen hat, mit der es nichts anfängt, noch nicht einmal Zinsen damit verdient, weil es am Kapitalmarkt damit nichts erreichen kann.

Tillich: Wir haben eins deutlich gesagt, wir werden jeden Abgang (eines Lehrers, d. Red.) ersetzen. Jeden Altersabgang. Dazu brauchen wir mindestens 1.000 Lehrer. (...) Deshalb die Erweiterung der Studienplätze auf 2.000 und der Referendare auf 2.015. Jetzt haben wir ein Problem, das will ich ganz offen ansprechen. Wir haben heute bei den jungen Menschen nicht jeden der Bio, Mathe und Chemie, Latein und Englisch oder Französisch oder Spanisch studieren will. Das wird eine Herausforderung bleiben, die trotzdem da ist.

Streitpunkt Lehrer-Bezahlung

Wollen Sie, um Lehrer zu gewinnen, bei den Verdiensten etwas tun? Oder steht vielleicht doch mal eine Verbeamtung in Sachsen in Aussicht.

Tillich: Ich glaube, dass wir uns in der Beziehung mittlerweile national messen können. Wir haben nicht nur die Gehälter der Grundschullehrer angehoben, sondern wir werden bis Ende 2016 die Eingruppierung der Oberschullehrer und anderen Schularten abgeschlossen haben. Und damit letztendlich über Verdienste bei der Lehrerschaft verfügen, die national messbar sind.

Was Verbeamtungen anbetrifft, da gibt es ja immer das Märchen, wir würden sparen wollen, und deswegen verbeamten wir nicht. Also man muss wissen, dass der Freistaat Sachsen nicht gezwungen wäre, (im Falle einer Verbeamtung, d. Red.) Arbeitgeberanteile zu zahlen, die er jetzt für die angestellten Lehrer zahlt. (...) Ich glaube, dass der Lehrerberuf in Sachsen so attraktiv ist, dass wir gegenwärtig auch mehr Bewerbungen haben, als wir freie Stellen.

Gebhardt: Herr Ministerpräsident, Sie schreiben in Ihrem Wahlprogramm: Sie wollen mindestens 1.00 Lehrer jedes Jahr einstellen. In diesem Jahr sind es 925. Davon die Hälfte befristet für ein Jahr. Also attraktiv ist dies nicht. (...) Wir müssen zudem einen größeren Einstellungskorridor machen als diese 1000, weil jedes Jahr mindestens 1600 Lehrer ausscheiden. Herr Ministerpräsident, ich weiß zwar nicht alle Zahlen, die ihre Regierung öffentlich macht, aber da ist ein Unterschied von mindestens 600 tellen, habe ich ausgerechnet.

Tillich: Ich glaube, Herr Gebhardt, dass wir uns ja heute nicht das letzte Mal sehen, sondern wir sehen uns dann wieder, Sie in der Opposition und ich in der Regierung.

Gebhardt: Oder umgedreht.

Tillich: ... dann können wir uns über die Zahlen noch mal austauschen.