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Für Niesky ist der Zug abgefahren

Die Stadt hat nicht nur Probleme mit Stau, Schotterplätzen, Ladensterben und fehlenden Kreiseln. Zurzeit gibt es mehr Löcher als Geld, um die zu stopfen. Und für 2016 gibt es noch keinen Haushalt. Das hat auch für die Einwohner Folgen.

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© André Schulze

Von Wulf Stibenz

Nieskys Finanzen sind in der Schieflage. Das ist kein Geheimnis: Budgets der Verwaltung sind begrenzt worden, kurzfristige Ausgaben müssen doppelt und dreifach legitimiert sein. Freiwillige Leistungen stehen auf dem Prüfstand. Aber die Botschaft von Nieskys Oberbürgermeisterin Beate Hoffmann ist eindringlich: „Wir haben das nicht zu verantworten.“ Details werden in der jüngsten Stadtratssitzung nicht vorgestellt. Der Verwaltungsausschuss – der sich mit Haushaltsangelegenheiten beschäftigt – fällt ersatzlos aus.

Steffen Kluske, Kämmerer der Großen Kreisstadt
Steffen Kluske, Kämmerer der Großen Kreisstadt © André Schulze
Beate Hoffmann, Oberbürgermeisterin von Niesky
Beate Hoffmann, Oberbürgermeisterin von Niesky © André Schulze
Gefördert: Ersatz der Eismaschine
Gefördert: Ersatz der Eismaschine © André Schulze
Nötig: Sanierung der Kita in See
Nötig: Sanierung der Kita in See
Auf Eis gelegt: Platzgestaltung am Gymi
Auf Eis gelegt: Platzgestaltung am Gymi © André Schulze

Niesky hat Sorgen. Die ehemalige Kämmerin der Großen Kreisstadt weiß, wovon sie bei einer finanziellen Schieflage spricht. Sie hat die Umstellung von der kameralistischen Haushaltsführung auf die betriebswirtschaftliche Doppik als eine der ersten Kommunen in Sachsen umgesetzt. Damit einher soll mehr Transparenz gehen, weil so Einnahmen und Ausgaben klar unterschieden sind. Zudem werden Besitzstände der Stadt detailliert aufgelistet – und in das Betriebskapital der Stadt eingerechnet. Doch die Transparenz innerhalb der Verwaltung bringt gar nichts, wenn die Einnahmen stocken.

Für Außenstehende ist die Finanzsituation kaum überschaubar. „Das hat viel mit der Schlüsselzuweisung zu tun“, gibt Beate Hoffmann zu Protokoll. Das ist Geld, welches die Stadt für jeden ihrer Einwohner erhält. Gibt es weniger Einwohner, kommt auch weniger Geld im Stadtsäckchen an. Niesky trifft zudem hart, dass die Kreisumlage – also das Geld, welches der ebenfalls klamme Landkreis von den Kommunen für seine Ausgaben haben will – nicht nur hoch ist, sondern sogar steigt. Wird da noch hineingerechnet, dass die Gewerbeanmeldungen in Niesky sich nicht prächtig entwickeln, große Steuerzahler-Betriebe auch ihre Verluste gegenrechnen können und immer mehr Ladenchefs und Dienstleister vom Markt verschwinden, ist das sinnbildliche Händeheben der Oberbürgermeisterin zur Schuldfrage verständlich.

Für die Bürger, die am Ende mit ihren Steuerzahlungen die Stadt mitfinanzieren, ist das kein Trost. Gezahlt werden muss ja trotzdem. Es hilft den Einwohnern auch nicht, dass es laut Beate Hoffmann „noch mehr Kommunen gibt, die mit dem Haushalt Probleme haben, weil die Aufwendungen nach oben gehen.“ Damit sind insbesondere Ausgaben im sozialen Bereich und beim Personal gemeint. Erst jetzt steckt Verdi mitten im Arbeitskampf – dabei ist die letzte Lohnerhöhung im öffentlichen Dienst noch gar nicht so lange her.

Mitnehmen können die Bürger aus den Rathausinformation, dass es noch keinen beschlussfähigen Haushalt für Niesky gibt. Das mag manchem egal sein. Aber ohne Haushalt lassen sich mittel- und langfristige Projekte nicht anschieben, Fördertöpfe können nicht angezapft werden – und am Ende droht sogar ein fuchtig erhobener Zeigefinger der Prüfbehörden. Auch eine Stadt muss nämlich ihre Finanzen in den Griff bekommen.

Deshalb wird bei den nahezu zahlenlosen Ausführungen zum Thema im Stadtrat auch betont, dass man in der Verwaltung in den nächsten Wochen über die finanzielle Situation intensiv diskutieren werde. Allen Kritikern zum Trotze formuliert Beate Hoffmann allerdings noch den Satz, der ihr offenbar besonders am Herzen liegt: „Mit dem Eisstadion hat das alles nichts zu tun.“

Dabei hat Niesky bei aller Finanzplanung auch Glück gehabt. Das lässt Kämmerer Steffen Kluske durchblicken. Denn immerhin 1,9 Millionen Euro hat Niesky aus dem Jahr 2015 übernehmen können. Das klingt zumindest danach, dass Niesky nicht pleite ist. Bleibt die Frage nach Investitionen, die nun mal fremdbestimmt kommen – aber von Niesky mitgezahlt werden müssen. Laut Steffen Kluske „haben wir die Finanzierung der Bahnübergänge ins Jahr 2017 schieben können.“ Denn beim Ausbau der Niederschlesischen Magistrale durch Niesky wird auch die Stadt mit zur Kasse gebeten. Wenn an der Muskauer Straße und am ehemaligen Neuhofer Konsum also die Bahn baut, fließt da auch Geld der Nieskyer mit rein. So will es das Eisenbahnkreuzungsgesetz – das eine Drittelung der Kosten zwischen Bund, Land und Kommune vorsieht. Hoffnung gibt, dass das Drittel der Stadt noch mal zu 90 Prozent gefördert wird – wodurch die Zahlungen der Stadt überschaubar bleiben. Und der Stadtkämmerer deutet sogar an, dass künftig die Förderung auf 100 Prozent steigen könnte. Dann hätte Niesky zumindest ein Finanzproblem weniger zu stemmen.

Trotzdem. Es sieht nicht gut aus in Sachen Geldausgeben. Entsprechend ist die Stimmung bei den Stadträten und den Bürgern. Aber der Kämmerer hat dennoch eine schmale Liste vorgelegt, wo Geld fließen soll und oft auch muss. Auf Platz eins ist die neue Eismaschine fürs Stadion. Denn ohne Eis lässt sich nicht Eishockey spielen. Und die alte Maschine kann das Eis im neuen Stadion eben nicht so knackig produzieren, wie gewünscht. Vor allem ist der alte Dieselbomber schlichtweg in die Jahre gekommen, nachdem Niesky ebendiesen gebraucht von den Weißwasseranern übernommen hat. Bei dem Maschinchen kann die Stadt allerdings neben der Förderung auch auf Drittmittel durch Stiftung und Sponsoren zurückgreifen.

An anderer Stelle ist es mit dem Sponsoring nahezu unmöglich. Auch wenn es das Eisstadion betrifft. Es folgt der Punkt Regenwasseranbindung ans öffentliche Netz. Bislang ist Regenwasser so ganz ohne Dach schlicht nicht das Problem gewesen. Jetzt kommt ein Dach drauf. Und darüber fließen bei Regen oder Tauwetter Tausende Liter Wasser pro Stunde in die Kanalisation. Deshalb muss nicht nur der Anschluss ans Netz, sondern auch das Netz selbst im Bereich des Eisstadions entsprechend fit gemacht werden.

Da wirkt Punkt drei mit dem neuen Multicar für den Bauhof fast schon geringfügig. Noch dazu, weil der Bund den Austausch von alten Gefährten fördert. Etwas teurer ist da schon der Bagger für die orangenen Helfer der Stadt. Aber der ist wichtig, weil nur mit so einem Gerät auch die offenen Entwässerungsgräben im ehemaligen Sumpfgebiet Niesky – insbesondere in den angegliederten Ortschaften – gepflegt werden können. Geld gibt’s laut der Liste, die nach Kämmerer Steffen Kluske allerdings „kein Dogma ist“, auch für die Kita Knirpsenland und den Anbau der Kita in See. Letztere Investition ist laut OB Beate Hoffmann wichtig, um Mängel abzustellen und die Arbeitsbedingungen vor Ort zu verbessern. Weil aber keine neuen Kitaplätze in See durch die Baumaßnahme entstehen, „gibt es dafür kaum Förderchancen“, muss die Stadtchefin einräumen.

Danach bleibt nicht mehr viel Kapital übrig. Die Stadt setzt noch auf den Bau des Rückhaltebeckens am Molkereigraben. Denn der ist besonders wichtig, damit die Menschen im Stadtgebiet nicht nasse Füße bekommen. Zuletzt gibt es noch einige Brandschutzbaumaßnahmen am Dachgeschoss und Obergeschoss im Rathaus – denn sonst erfüllt das Gebäude nicht mehr die Vorgaben des Gesetzgebers. Danach ist Schluss. Entnervt wirkt die Führungsriege der Stadtverwaltung bei der Vorstellung des Noch-Nicht-Haushalts keineswegs. Oberbürgermeisterin Beate Hoffmann sagt aus ihrer Zeit als Kämmerin unter Ex-OB Wolfgang Rückert: „Wir haben solche Situationen ja schon mehrfach gehabt.“