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Für jeden ein Blümchen

6 500 Euro für Blumen und Geschenke für Senioren gibt die Stadt jedes Jahr aus. Das ist einzigartig in Deutschland.

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© Anne Hübschmann

Von Peggy Zill

Coswig. Es gibt Tage, da muss Margit Harz auf drei Geburtstage. Manches Wohnzimmer ist dann voll mit Gratulanten, auf anderen Feiern ist die 58-Jährige der einzige Gast. Sie bringt Blumen und eine Glückwunschkarte mit, fragt nach der Gesundheit, erzählt, was es Neues gibt oder hört einfach nur zu. Margit Harz ist eine von 20 Seniorenvertretern in Coswig. Sie betreut die Rentner, die in Neusörnewitz und in der Siedlung an der Moritzburger Straße – das „sündige Dorf“, wie es Ur-Coswiger nennen – wohnen. Insgesamt etwa 60 Männer und Frauen.

Im Namen der Stadt gratuliert sie den über 80-Jährigen und bringt denen, die die Wohnung für die Weihnachtsfeier in der Börse nicht mehr verlassen können, zur Weihnachtszeit ein kleines Geschenk vorbei. „Es ist gut, dass an die Alten gedacht wird. Dass sie sich nicht vergessen fühlen“, sagt sie. Das sei auch ein Verdienst der Stadt. Denn die Blumen und Geschenke kosten.

Rund 6 500 Euro gibt Coswig jedes Jahr dafür aus. Das ist in Deutschland einmalig, sagt Anja Illgen vom Fachbereich Soziales. Zumindest weiß sie von keiner Stadt, in der es ein solches Projekt gibt. Schon seit 1992 gratuliert Coswig jedem über 80-Jährigen, der das wünscht. Zum 90. und 95. Geburtstag kommt Anja Illgen vorbei. Ab dem 100. überbringt der Oberbürgermeister persönlich die Glückwünsche. „Viele warten am Geburtstag schon drauf und freuen sich“, sagt Anja Illgen. Da die Seniorenbegleiter und -helfer meist in der Nähe wohnen, kennt man sich auch. In 20 Wohngebiete ist Coswig unterteilt. Für jedes gibt es einen Seniorenvertreter, der alle anfallenden Aufgaben im Blick hat, den Kontakt zur Stadtverwaltung hält und weitere Helfer anleitet. Auch Margit Harz hat zwei Helfer, die sie vertreten, wenn sie im Urlaub oder krank ist.

Neue Helfer werden dringen gebraucht. Angesprochen sind alle, die die Berufstätigkeit hinter sich gelassen haben und trotzdem eine sinnvolle Aufgabe übernehmen wollen. „Man sollte offen und kommunikativ sein und ein höfliches Auftreten an den Tag legen“, sagt Anja Illgen. Geld gibt es dafür nicht. „Aber man lernt viele Menschen kennen und die sind sehr dankbar“, sagt Margit Harz.

Seit sieben Jahren engagiert sie sich ehrenamtlich als Seniorenbegleiterin. Damals suchte sie im Rahmen ihrer Ausbildung zur ehrenamtlichen Seniorenbegleiterin einen Praktikumsplatz. Die Coswiger Stadtverwaltung empfahl ihr eine ältere Dame, die fast blind war. „Sie wollte trotzdem immer raus, auf den Markt. Da habe ich sie begleitet. Und mit ihr den Umzug in eine behindertengerechte Wohnung organisiert. Da ist sie noch einmal richtig mobil geworden“, erzählt die Neusörnewitzerin. So weit geht die Seniorenhilfe in Coswig nicht. Sie beschränkt sich in der Regel auf zwei Besuche im Jahr, sofern sich nicht mehr ergibt.

Ihre Schützlinge sind zwischen 80 und 92 Jahre alt, leben alle noch zuhause und sind ganz unterschiedlich aktiv. „Manche sind sehr gesprächig, erzählen von früher. Andere sind sehr wissbegierig, wollen wissen, was in der Stadt los ist und kommen aber nur noch selten raus.“ Es gibt welche, die gehen mit über 80 Jahren noch arbeiten, andere sind schwer pflegebedürftig.

Es komme oft vor, dass viele alte Menschen völlig allein sind. Der Partner ist verstorben, die Kinder wohnen weit weg. Da ist Besuch immer gern gesehen.

Manchmal bleibt Margit Harz nur kurz, manchmal dauert es länger. Wenn sie sieht, dass Hilfe gebraucht wird, versucht sie diese zu vermitteln. „Wenn ich weiß, da ist niemand in der Nähe, gebe ich auch meine Telefonnummer für Notfälle.“ Bisher sei sie noch nicht angerufen worden.

Wer Seniorenhelfer werden möchte, erhält im Rathaus unter 03532 66431 nähere Informationen.