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Fünf Männer und eine Rennpappe

Der Radebeuler Wirt Jens Seidel hatte eine verrückte Idee – am 1. Mai verwirklicht er sie mit seinen Freunden.

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Von Peter Redlich

Radebeul. Eigentlich wollte doch jeder Junge zu DDR-Zeiten Autoschlosser werden. „Ich auch“, sagt Jens Seidel, der gelernter Fleischer ist und dennoch gerne an alten Autos schraubt. Eine ganz besonders verrückte Idee ist dem Inhaber der Lößnitztalschänke und des Hotels Stadt Radebeul im letzten Jahr durch den Kopf geschossen, als er in Zwickau beim Trabi-Ersatzteilekauf war. „Da lag ein Prospekt zu einem Zwölf-Stunden-Trabi-Rennen auf dem Autodrom in Most. Da wollte ich dabei sein.“

Volle Konzentration im Trabi-Cockpit. Der Radebeuler Jens Seidel erfüllt sich mit seinen Freunden einen Wunsch.
Volle Konzentration im Trabi-Cockpit. Der Radebeuler Jens Seidel erfüllt sich mit seinen Freunden einen Wunsch. © privat
Die Rennpappe auf der Rennstrecke.
Die Rennpappe auf der Rennstrecke. © privat

Bei seinem Freund Torsten Simon, der in Radebeul-Ost eine Lackierwerkstatt unter Car Beauty Salon betreibt, ist Seidel fündig geworden. Simon: „Einer meiner Kunden hat mir einen alten 500er Trabi, Baujahr 1960, geschenkt. Völlig abgewrackt, eigentlich nur noch zum Ausschlachten.“

Doch mit der Idee von Jens Seidel sollte alles anders kommen. Seit Anfang Januar schrauben die Männer beinahe täglich an dem Teil, zumeist vor ihrer eigentlichen Arbeit. Manchmal schon früh ab 4 Uhr. Der Grund für den Einsatz gerade an dem 500er – in Most dürfen nur original Trabis starten. Und: Alle anderen 34 Anmeldungen sind 601er Trabis, also das Nachfolgemodell. „Mit dem Kugelrunden fallen wir dort besonders auf“, sagen die beiden voller Vorfreude. Am 1. Mai wird morgens, 8 Uhr, auf dem Moster Autodrom gestartet. 20 Uhr werden die Trabi-Piloten die schwarz-weiße Zielflagge sehen. Doch für die Radebeuler gilt nicht nur dabei zu sein. Voller Adrenalin schon bei dem Gedanken an das Rennen, wollen sie auch schnell sein. Mit original 26 PS, ganz normalem Benzin, der typischen runden Karosserie ist das kein leichtes Unterfangen.

110 Km/h erreicht der 500er. Für Jens Seidel noch wichtiger ist die Rundenzeit: Für die 4,2 Kilometer etwa 2:45 Minuten. Gut 1 000 Kilometer werden sie in den zwölf Stunden unterwegs sein.

Wer in den inzwischen giftgrün und gelb lackierten Renner schaut, ahnt, was in den letzten dreieinhalb Monaten alles bewerkstelligt wurde. Die Innereien vom Motor über die Lichtmaschine bis zum Auspuff glänzen und würden keinen Ölfleck auf der Kaffeetafel der Lößnitztalschänke verursachen. Draußen drauf ist eine der typischen Vollbierflaschen vom Radebeuler Getränkeversorger Flack & Schwier. Betreiberfamilie Zach sind begeisterte Oldtimer-Rallye-Fahrer und auch schon Sieger – „Team Vollbier“. Daher der Name für die Most-Starter.

Im Cockpit selbst sieht es weniger komfortabel aus – spartanisch. Alle Hebel und Schalter, einschließlich der trabitypischen Handschaltung, sind freilich vorhanden. Doch ansonsten ist ausgeräumt. Der Fahrersitz als Hartschale samt Gurt bietet nichts mehr für die gemütliche Ausfahrt. Rundum ist der Fahrgastraum mit Überrollbügel gesichert. Ein Feuerlöscher ist in Griffweite. Lediglich die Spurweite durfte für das Rundenrennen leicht vergrößert werden. Jens Seidel: „Die größte Gefahr ist, in den Kurven aufs Dach zu kippen.“

Und, es gibt klare Vorschriften, wie oft getankt werden darf – bei Vollgas gehen auf der gut 4 200 Meter langen Strecke auf 100 Kilometern rund zehn Liter durch den Vergaser. Mit fünfmal Tanken rechnet das Team, zu dem noch der 18-jährige Maximilian Paul und der 76-jährige Lothar Scheffler gehören. Paul kennt sich mit so was aus. Er fährt als Profi Cart-Rennen bei einem italienischen Rennstall. Für Autoklempner Scheffler ist es das erste Rennen seines Lebens. Dafür ist Fitness gefragt. Nicht nur beim Trabi-Fahren, sondern auch insgesamt. So wie mehrmals die Woche geschraubt wird, gehen die Männer fast täglich frühmorgens auf die Spitzhaustreppe. Jens Seidel hat zwölf Kilo abgenommen, sagen seine Rennkumpels. Der Chef grinst nur.

Sicher wurde auch das schnelle Fahren, der schnelle Fahrerwechsel vor der Rennbox trainiert. Seidel: „Wir haben in Most getestet und gehen jetzt noch auf die Cartbahn in Hoyerswerda.“

Die Box an der Rennstrecke für den 1. Mai in Most ist schon vom Vortag an gemietet. Teamleiter wird dann Patrick Weber sein – ein erfahrener Organisator von Oldtimer-Rallyes, die auch noch in diesem Jahr mit Radebeuler Beteiligung starten. Aber das ist schon die nächste Geschichte.

Noch zehn Tage, dann gehen die vier Piloten mit ihrer Radebeuler Rennpappe auf den heißen Asphalt. „Wir können es kaum erwarten“, sagen sie unabgesprochen wie ein Mini-Männerchor.