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Fünf Einbrüche in einer Nacht

Pulsnitz und Kamenz bleiben Brennpunkt der Kriminalität. Die Bürger werden unruhig. Die Polizei beschwichtigt.

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© Rico Löb

Von Reiner Hanke

Ein rotes Brecheisen lag am Dienstagmorgen noch unweit des Tatortes, der Robert-Koch-Passage in Pulsnitz. Im Fluss neben der Einkaufspassage hatten es die Täter zurückgelassen. Mit dem Brecheisen hatten die Täter nach den Informationen von Augenzeugen Türen zur und in der Passage aufgebrochen oder es versucht.

Dieses Brecheisen benutzten die Täter.
Dieses Brecheisen benutzten die Täter. © Rico Löb

Die Polizei bestätigte später, dass in Pulsnitz in der Nacht Täter in zwei Gebäude eingedrungen sind: „Bei weiteren Objekten scheiterte der Einbruch“, so Polizeisprecher Thomas Knaup. In der Kamenzer Straße waren nach SZ-Informationen eine physiotherapeutische Praxis und eine Baufirma betroffen. Aus der Praxis verschwand eine Geldkassette mit einem geringen Bargeldbetrag. Bei der Firma scheiterte der Einbruch. Es entstand aber ein Sachschaden von 2 500 Euro. Auf der Bahnhofstraße beobachteten Zeugen einen dubiosen jungen Mann, der sich an einem Betriebsgebäude zu schaffen machte. Als die Polizei eintraf, hatte sich der Mann aber schon aus dem Staub gemacht. In der Robert-Koch-Passage drangen die Täter offenbar ebenfalls in eine Physiotherapie ein. Ob hier etwas entwendet wurde, werde laut Polizei noch geprüft. Bei der Kita am Polzenberg wurden ebenfalls Einbruchspuren entdeckt. Die Täter scheiterten aber auch hier. Es entstand Sachschaden.

Seit dem Wochenende ist es wieder schlimm

Nur ein paar Tage war es in Pulsnitz etwas ruhiger geblieben, die Einbruchserie flaute ab und verlagerte sich auf andere Orte im Raum Kamenz. Doch seit dem Wochenende geht wieder eine regelrechte Welle über die Stadt hinweg. Fünf Einbrüche oder versuchte Einbrüche sind mittlerweile allein aus der Nacht zum Dienstag bekannt. Zuvor hatten Einbrecher eine Tischlerei auf der Gartenstraße heimgesucht. Über eine Nebentür waren sie dort eingedrungen. Der Schaden sei noch gar nicht zu beziffern, sagt Firmenchef Sören Schieblich. Er gehe in die Tausende. Alles sei durchwühlt worden. Zurück blieben viele leere Gerätekoffer. Bohrmaschinen, Handkreissägen, Motorsägen, Schrauber – alles weg. Alles, was irgendwie verkäuflich ist. Sein Vater und Stadtrat Andreas Schieblich war am Vormittag schon an einem anderen Tatort unterwegs, in der Koch-Passage, um Einbruchschäden zu reparieren. Er berichtet, dass die Stadt erst mit der Polizei im Kontakt gewesen sei. Und er wisse auch von Bürgern, dass seitdem in den Nächten mehr Beamte in der Stadt präsent gewesen seien. Und nun das, ist er etwas ratlos. Sören Schieblich ist sich sicher, dass das keine Täter sind, die mal so nebenbei einen Bruch machen. Das seien Berufseinbrecher, mit einer ausgetüftelten Taktik, die genau wissen, was sie wollen. Und sehr leise sind sie noch dazu. Denn sie mussten ja quasi am Schlafzimmerfenster der Eltern vorbei. Niemand habe etwas gehört. Der Transporter fürs Diebesgut habe in einer Nebenstraße geparkt. Das Muster entspricht zurückliegenden Diebeszügen in der Stadt.

Wer die Nachrichten seit Mitte des Vormonats durchzählt, kommt schnell auf insgesamt über 50 Straftaten im Raum Kamenz: Einbrüche und versuchte Einbrüche in Firmen, in Wohnungen, Kitas, Lokale, geknackte Autos, gestohlene Autoräder. Eine beispiellose Serie von Straftaten. Ein großer Teil davon in Kamenz und Pulsnitz. Einige im Rödertal, im sorbischen Raum und in Königsbrück. Umso mehr bringen gerade die Pulsnitzer einige Aussagen aus der Polizeidirektion in Görlitz auf die Palme: Solche Worte wie, die subjektive Sorge der Bürger sei nicht mit objektiven Fakten zu hinterlegen. Und dann werde noch mit irgendwelchen alten Zahlen herumjongliert, kritisierte eine Pulsnitzerin aufgebracht am SZ-Telefon. Der Pulsnitzer Feuerwehrmann Siegfried Garten sagte es gestern noch deutlicher: „Was hier von der Polizei verbreitet wird, ist Lug und Trug, das glaubt niemand mehr.“ Die personalgeschwächte Polizei könne das einfach nicht mehr bewältigen, fühlt er sich mit vielen Bürgern einig: „Es wird Bürgerwehren geben, ein Aufruf wurde schon gestartet“, so Garten. Auch in Flugblättern ist die Rede von Bürgerwehren und Bürgerschutz. Einige aufmerksame Bürger sind schon unterwegs und haben Runden durch Pulsnitz gedreht.

Wohnung wurde geplündert

Zu ihnen gehört Mario Ringhardt. Nicht ohne Grund: Die Wohnung seiner Familie in Pulsnitz wurde ausgeräumt. Seine Partnerin Kerstin Richter spricht geradezu von geplündert, ja verwüstet, es sei ein Schock gewesen. Von der Heimelektronik, über Küchengeräte bis zu Kleidung, Kinderschuhen und angebrochenen Lebensmitteln. Auch persönliche Unterlagen, Fotos und unersetzbare Erinnerungsstücke sind verschwunden. Schon beim Erzählen steige Wut hoch. Sie sei zwei Wochen krank gewesen und auch jetzt „zuckst du bei jedem Geräusch zusammen“, berichtet die Pulsnitzerin. Belastend seien auch die Schwierigkeiten mit der Versicherung. Mit der teilweise merkwürdigen Auswahl beim Diebesgut solle vielleicht auch eine falsche Spur gelegt werden, vermuten die beiden. Denn bei den Steifenfahrten seien nicht nur verdächtige Autos mit ausländischen, sondern auch mit deutschen Kennzeichen gesehen worden. In ihrem Fall hatten die Täter einen Kurzurlaub der Familie genutzt. Allein der Stehlschaden liege bei etwa 12 000 Euro. Wie bei einigen anderen Einbrüchen, hatte es zuvor merkwürdige Anrufe gegeben. Nie meldete sich dabei jemand auf der anderen Seite der Muschel. Die Familie kritisiert auch Personalabbau bei der Polizei. Das Revier in Radeberg sei eingedampft worden, und bis aus Kamenz jemand angerückt sei ...

Polizeisprecher Thomas Knaup ließ am Mittwoch auf SZ-Anfragen wissen: „Die Polizei hat die gegenwärtige Straftatenhäufung im Revierbereich Kamenz sehr genau im Blick.“ Schwerpunkt des Kriminalitätsgeschehens in der Region sei dabei unverändert das Stadtgebiet von Kamenz, so Knaup. Das ist sicher richtig, die Serie von Einbrüchen in Pulsnitz aber ebenso offensichtlich und die Frage berechtigt: wie die Behörde auf die Kriminalität reagiert. Die Ermittlungen zu den Straftaten laufen derzeit bei der Kriminalpolizei und dem Kriminaldienst des örtlichen Reviers in Kamenz: „Erste Ermittlungsergebnisse legen die Vermutung nahe, dass in der Region sowohl ortsfremde, aber auch ortsansässige Täter agieren“, so Thomas Knaup. „Die polizeilichen Ermittlungen dauern an.“ Mit Details sei man zurückhaltend. Zum einen, weil es sich um ein laufendes Verfahren handele und weil es aus operativer Sicht unklug wäre, konkrete Einsatzmaßnahmen zu veröffentlichen: „Ihre Zielstellung wäre damit verpufft.“ Natürlich verfolgt die Polizei eine Strategie, der Kriminalität in der Region wirkungsvoll entgegenzutreten, so Knaup: „Ein wesentlicher Baustein ist dabei die Aufmerksamkeit der Bevölkerung.“ Die hat wohl längst Zweifel an der Strategie. Sören Schieblich, als Betroffener, ist sich seinerseits sicher, dass die Pulsnitzer immer unruhiger werden.

Die Kriminalpolizei übernimmt die weiteren Ermittlungen zu allen Einbruchsfällen und sucht Zeugen. Auch Hinweise zu verdächtigen Beobachtungen nimmt das Polizeirevier Kamenz (Telefon 03578 352-0) oder jede andere Polizeidienststelle entgegen.