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Frühere Schüler sammeln für verstorbenen Lehrer

Generationen haben bei Bernd Lorenz gelernt und trainiert. Daher soll er auch in Leisnig beigesetzt werden.

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© privat/Frieder Killig.

Von Heike Heisig

Leisnig. Die Nachricht hat sich wie ein Lauffeuer in Leisnig ausgebreitet: Bernd Lorenz ist gestorben. Lorenz war mehrere Jahrzehnte Lehrer für Deutsch und Sport in Leisnig und für den DDR-Leistungssport erfolgreich auf „Kadersuche“. Seine letzten Arbeitsjahre unterrichtete er ab 1993 in Waldheim, ehe er wegen Krankheit aus dem Lehrdienst ausschied. Vor ein paar Tagen nun ist der Leisniger im Alter von 75 Jahren verstorben – nach kurzem Krankenhausaufenthalt in Leipzig. Dort sollte er Ende des Monats auch beigesetzt werden. Einige seiner ehemaligen Schüler wollen das allerdings verhindern.

Es läuft eine Initiative, die Roy und Thomas Fischer koordinieren. Die Idee dafür kam von Reifenhändler Thomas Fischer, in dessen Haus in der Eintracht Lorenz in einer Wohnung lebte. Thomas Fischer findet es schade, wenn ihr Lehrer in Leipzig beerdigt werden würde, wo kaum einer der Schüler an einer Trauerfeier teilnehmen oder sein Grab besuchen könnte. Daher unterbreitete er Lehrer Roy Fischer den Vorschlag, für eine Beerdigung von Bernd Lorenz in Leisnig zu sammeln. Binnen weniger Tag sind bis Mittwochmittag rund 800 Euro zusammengekommen. Mindestens 1 150 Euro werden für eine Beisetzung in einem Gemeinschaftsgrab auf dem Leisniger Gottesacker benötigt. Kommen ein paar Euro mehr zusammen, sollen die für Blumen ausgegeben werden, schwebt den Initiatoren vor. Denn Bernd Lorenz hatte keine Familie, keine Angehörigen.

Die Aktion findet viel Zuspruch, auch unter der noch aktiven Lehrerschaft, unter ehemaligen Kollegen. Frieder Killig staunt darüber, weil Lorenz schon frühzeitig kein Klassen-, sondern „nur“ noch Fachlehrer war. Killig, heute 55, hat in den Jahren 1970 bis 1979 bei Bernd Lorenz Leichtathletik trainiert. Als Mittelstreckenläufer hat er es zwar nicht zu Olympia geschafft, aber immerhin zu einem Leistungsvergleich DDR-Russland. In die damalige Sowjetunion zu fliegen, war für die jungen Sportler schon etwas Besonderes.

Der ehemalige Schützling und sein Lehrer und Trainer haben sich in den späteren Jahren nie aus den Augen verloren. „Ich glaube schon, dass man von einer Freundschaft sprechen kann, die sich zwischen uns entwickelt hat“, sagt Frieder Killig. Ihm hatte Lorenz so weit ins Vertrauen gezogen, dass er im Krankheitsfall mitreden, für ihn entscheiden sollte.

Olympia-Sieger entdeckt

„Ich denke, Bernd Lorenz hatte einen Blick für Talente und ein gutes Händchen für den Nachwuchs“, schätzt Frieder Killig ein. Er habe den jungen Sportlern Zeit gelassen, sich zu entwickeln, habe sie aufgebaut. Besonders oft dürfte Lorenz dann 1988 bei den Olympischen Spielen in Seoul vor dem Fernseher gesessen haben. Denn gleich zwei seiner Schützlinge waren da überaus erfolgreich: Beate Schramm, die im Doppelvierer Rudergold holte, sowie Kerstin Finke (Behrendt), die im Staffellauf eine Silbermedaille ersprintete.

Ob einer der von Bernd Lorenz entdeckten, späteren Spitzensportler zur Beisetzung nach Leisnig kommen wird, davon lassen sich die Initiatoren überraschen. Sie haben verabredet, den Termin dafür auf einen Freitag im April festzulegen. Nach der Verabschiedung von ihrem Lehrer ist für Roy Fischer noch eine Art Klassentreffen denkbar. Denn das, was die meisten mit Bernd Lorenz erlebt haben, bietet eine Menge Gesprächsstoff. Das zeigt sich schon jetzt während der Sammlung. „Duden raus, ihr Pittis!“ – so soll er manche Deutschstunde eröffnet haben.

Für Roy und Thomas Fischer war Lorenz ein besonderer Lehrer. „Man hat ihn geliebt, oder man hat ihn gehasst“, findet Roy Fischer. Der 48-Jährige, der inzwischen an einer Berufsschule in Chemnitz lehrt, beschreibt Lorenz als groß gewachsenen, kräftigen Mann, der selbst Sport getrieben, sich aber auch gern eine F 6 angesteckt hat. Mit zwei weiteren Jungs hat Roy Fischer für seinen Lehrer manchmal Einkäufe erledigt, ein anderes Mal den Ofen eingeheizt oder Vorbereitungen auf dem Sportplatz an der Linde getroffen. Damit konnten sich die Schüler ein paar gute Lederturnschuhe oder sogar welche der Marke Adidas erarbeiten.

Auch in der Schule wurde den Schülern von Lorenz nichts geschenkt, findet Roy Fischer. Er verlangte den Mädchen und Jungen allerhand ab. Doch die profitierten auch davon. „Wer nach der Zehnten ans Gymnasium wechselte, der war in Orthografie und Rechtschreibung topp und hatte da keine Probleme“, so der 48-Jährige. Für ihn war Lorenz als Lehrer ein Vorbild. Manche Dinge habe er von ihm übernommen, wende sie heute noch an. Menschlich könne man Lorenz vielleicht einen Kauz nennen, der allein und zurückgezogen lebte. Sein Leben waren das deutsche Wort und der Sport – so habe es ein Mitschüler passend auf den Punkt gebracht.

Wer für Bernd Lorenz Rückkehr nach Leisnig und seine Beisetzung hier spenden möchte, kann das auf folgendes Konto:

Roy Fischer, DE 61500105170792604430, BIC INGDDEFFXXX bei der ING-Diba. Kennwort: Bernd Lorenz