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Frittierte Karpfen-Snacks aus dem Bauchladen

Einmal im Jahr ist bei Gunther Ermisch großes Schaufischen. Sein Sohn Moritz kredenzt den Gästen dabei eine Neuigkeit.

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© Steffen Unger

Von Thomas Möckel

Langburkersdorf. Moritz hat sich ein blau-weiß gestreiftes Hemd angezogen, vor seinem Körper hängt ein hölzernes Tablett als Bauchladen, ein fingerdicker weißer Strick, ums Genick geschlungen, hält das Minilädchen am Bauch. Auf dem Brettchen stehen Pappschalen, jede einzelne gefüllt mit Karpfennuggets, kleine ausgebackene Fischfiletteilchen, die Appetithäppchen sind dieses Jahr zum ersten Mal im Angebot. Ein Mann mit Rauschebart im Gesicht und tätowierten Armen zupft Moritz an der Schulter, er möchte probieren, ein Euro fällt in die Pappbecher-Kasse des Jungen. Das schmeckt gut, ruft der Mann hinterher. Das Geschäft, sagt Moritz, läuft richtig gut.

Moritz, elf Jahre alt, ist der Sohn von Gunther Ermisch, der in Langburkersdorf und an anderen Orten die gleichnamige Fischzucht betreibt. Einmal im Jahr organisiert die ganze Familie ein Schaufischen am Mühlteich an der Kirschallee, der Moderator lobt die Fisch-Sause aus Neustadts größtes Volksfest. Schon kurz nach dem Beginn am Sonntagvormittag gibt es keinen freien Parkplatz an der Kirschallee mehr, das Feiergelände ist voll, der Besucherstrom wird bis zum Nachmittag nicht abreißen. Die Luft ist 24 Grad Celsius warm, es ist Kurzärmel-Wetter, schon vor Wochen riefen die Ersten an, wann denn wieder Schaufischen sei. Die Leute, sagt Ermisch, waren hungrig auf Sonne und Fisch.

Und was da als Gaumenfreude erst in der Fritteuse und dann im Magen landet, stammt größtenteils aus dem Mühlteich gleich nebenan. Das Gewässer ist fast abgelassen. Ermischs Männer, gerüstet mit Wathosen und Gummistiefeln, haben im Restwasser ein Netz gespannt und ziehen es langsam in Richtung Auslass. In dem sich zuziehenden Netz zappelt, quirlt und spritzt es, Fische schnappen nach Luft. Die Männer hieven die Tiere mit Keschern in große Plastikbottiche, schleppen sie das steile Ufer hinauf uns schütten die Fische in große Plastikwannen, andere Helfer sortieren sie dort nach Größe. Etwa die Hälfte der Fische, sagt Gunther Ermisch, geht in den Verkauf, der Rest kommt in Angelgewässer im Umland. Wie viel Fisch seine Leute aus dem Mühlteich holen werden, kann er noch nicht genau sagen, er rechnet so mit 700 Kilogramm. Der Fischbestand, sagt er, sei in diesem Jahr eher durchschnittlich, der Sommer war zu wechselhaft und nicht warm genug. Aber Ermisch rechnet trotzdem mit einem guten Ertrag, insgesamt bewirtschaftet er 43 Teiche.

Dabei ist der Mühlteich aber ein ganz besonderer, in ihm lebt August, ein riesiger Karpfen, er ist so etwas wie Ermischs Maskottchen. August ging am Sonntag gleich beim ersten Fischzug ins Netz, er muss sich aber keine Sorgen machen, dass es ihm an die Kiemen geht. „Er sieht gut und gesund aus“, sagt der Fischzüchter. August ist über 20 Jahre alt, so genau weiß das keiner, zum Schaufischen durfte er in einem extra Bassin baden, danach zieht er um in einen von Ermischs Winterteichen. Das Gewässer ist sogar mit einem Stromzaun geschützt, damit nicht der Otter den Karpfen-Senior holt, im Frühjahr zieht August dann wieder in den Mühlteich. 50, 60 Jahre, sagt Ermisch, kann ein Karpfen durchaus werden.

Fast bis auf 100 Jahre hingegen bringen es Welse, ein Fisch dieser Gattung leistet August im Becken Gesellschaft, es ist sozusagen ein Zugereister, der Wels stammt aus der Talsperre Quitzdorf bei Niesky, die Ermisch seit diesem Jahr gepachtet hat. Dort, sagt Ermisch, bleibt das Wasser ganzjährig drin, es wird still gefischt mit Reusen und Netzen, nur ein Teil des Fischbestandes wird aus dem Wasser geholt, alles ist auf Nachhaltigkeit angelegt. Einmal hat der Fischzüchter in Quitzdorf schon abgefischt, 400 Kilogramm waren im Netz, das neue Gewässer ist durchaus lukrativ.

Inzwischen holt sich Moritz die nächste Fuhre Karpfennuggets bei seinem Papa ab, der Sohn wird die Häppchen rasch los, sogar ein paar Stammkunden hat er schon gefunden, die gleich mehrfach bestellen. „Einmal im Jahr auf diese Weise Fisch zu verkaufen, macht großen Spaß“, sagt Moritz, dann verschwindet er in der hungrigen Besuchermenge.

Auch Gunther Ermisch muss zurück an die Fritteuse, er ist extra als Helfer mit eingesprungen am Stand, an dem es Karpfen im Bierteig gibt. Im letzten Jahr war der Imbiss derart gefragt, dass manche bis zu einer Stunde anstanden, um an den Fisch zu kommen.

Diesmal soll es schneller gehen, doch so richtig, sagt Ermisch, klappt das wohl nicht. Sein Blick gleitet die lange Anstehschlange entlang, er lächelt, die Leute lächeln zurück, keiner hat bislang gemurrt oder sich beschwert. Die Hauptsache ist schließlich, sagt Ermisch, dass genügend Fisch da ist.